Full text: Oldenburger Volksschullesebuch für Oberklassen

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„Da! du Hund von einem Neger!“ schrie der Radjunge. „Noch einmal! 
So! Und noch einmal! Frisch, du schwarzer Satan! Ich schlage dir deine 
Zähne ein, wenn du noch einmal dein verdammtes Portugaise sagst!“ 
Leicht und gewandt hatte er den Neger umfaßt. Dieser, der sich eines 
so raschen Angriffes nicht versah, fiel zu Boden und schlug um sich, umsonst 
den Kleinen von sich abwehrend, der ihn wie eine Katze umkrallte. In diesem 
Augenblicke kam der Bierzapfer herbei und riß die Jungen auseinander. 
„Wollt ihr Frieden halten, ihr unnützen Buben!“ rief Adrian erbost; „ist's 
nicht genug, daß ihr von euern Vorgesetzten braun und blau geschlagen wer— 
det? müßt ihr euch auch selbst noch das Fell gerben? Schäme dich, Michael, 
daß du mir solche Schande machst!“ 
zʒvVater!“ antwortete Michael, sich den Schweiß von der Stirn wischend, 
„Vater! der verdammte Schwarze hat schon wieder auf unsere Flagge ge— 
schimpft und seine Spanier und Portugiesen in den Himmel erhoben. . .“ 
„Bleib mir mit deinem Gewäsch vom Leibe!“ entgegnete der Vater är— 
gerlich; „was gehen dich die Spanier und unsere Flagge an? Drehe du dein 
Rad, wie ich mein Bier verkaufe, und damit hallo!“ 
„Oho, noch lange nicht!“ rief der kleine Übermut und nahm eine 
Stellung an, als sei er Herzog und erster Admiral der Generalstaaten; „ich 
habe es ihm gegeben und will es ihm noch besser geben, wenn er wieder auf 
uns schimpft! Wir sind Niederländer, Vater, du und ich!“ 
Jan Compannei hatte sich aufgerafft, schlich sich heran und sagte: „Hol— 
landaise viel bange! Hollandaise viel laufen!“ 
„Da fängt er schon wieder an, Vater!“ rief Michael und wollte sich auf 
seinen Gegner stürzen; aber der Vater hielt ihn zurück und sagte: „Junge! 
bringe mich nicht auf! Ich habe vorhin mit dem Werkmeister gesprochen; er 
ist sehr unzufrieden mit dir.“ 
„Das ist er immer,“ sagte Michael leichthin. 
„Er hat's aber ernsthaft gesagt! Hat meinen Krug Bier nicht angenom— 
men und versichert, er werde dich ehestens wegjagen!“ 
„Meinetwegen!“ 
„Was! deinetwegen? Ja, nun sehe ich es ein, daß du wirklich ein Tau—⸗ 
genichts bist. Junge, Junge! Ich bin ein reputierlicher Mann, der keinen 
Burschen in seiner Familie haben will, der von seinem Brotherrn weggejagt 
wird. Alle deine elf Brüder und Schwestern sind wohlgeraten, sie arbeiten 
tüchtig und führen sich gut auf, so daß ich und deine Mutter unsere Freude 
daran haben; aber du bist ein unnützer Bube, der nicht einmal dazu taugt, 
ein Rad zu drehen!“ 
„Nein, Vater! ich kann's auch nicht!“ rief Michael. „Wenn ich erst 
von dieser Bahn weg bin, will ich Gott danken, und sie sollen lange warten, 
ehe sie mich wieder hier zu sehen kriegen. Vater! weißt du was? Heute 
nacht hat mir geträumt, ich wäre groß, hätte einen Degen an der Seite, 
einen Federhut auf dem Kopfe und stände auf dem Hinterdeck eines Dreima⸗ 
sters. Vater, wenn das wahr würde!“ 
„Ach, daß Gott erbarme!“ sprach der Alte betrübt vor sich hin; ‚warum 
muß denn gerade ich mit einem solchen Jungen gestraft werden! Sein Geschäft 
läßt er liegen und träumt ungewaschenes Zeug von großen Dingen, die uns 
noch in Ungelegenheiten bringen könnten, wenn die vornehmen Herren darum 
wüßten; denn was man träumt, daran hat man wachend gedacht. Was würde 
wohl der Herr Admiral denken!“
	        
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