Full text: Deutsches Lesebuch für höhere Lehranstalten

Prosa. — Freundschaftliche Briefe. 
hören und uns zufrieden in der Ruhe Christi schlafen lassen, bis er kommt und 
wecke uns mit Fröhlichkeit wieder auf. Amen. 
Hiemit befehle ich euch dem, der euch lieber hat, denn ihr euch selbst, und 
solche Liebe beweiset hat, daß er eure Sünde auf sich genommen und mit seinem 
Blut bezahlt und solches euch durch's Evangelium wissen lassen und durch seinen 
Geist solches zu glauben geschenkt und also alles aufs gewisseste bereitet und 
versiegelt hat, daß ihr nichts mehr dürfet weder sorgen, noch euch fürchten, denn 
daß ihr mit eurem Herzen fest und getrost bleibet an seinem Wort und Glauben. 
Wo das geschieht, da lasset ihn sorgen: er wird's wohl machen; ja, er hat's 
alsdann schon aufs allerbeste gemacht, mehr, denn wir begreifen mögen. Der— 
selbige unser lieber Herr und Heiland sei mit und bei euch, auf daß Gott gebe, 
es geschehe hier oder dort) wir uns fröhlich wiederum sehen mögen. Denn unser 
Glaube ist gewiß, und wir zweifeln nicht, daß wir uns bei Christo wiederum 
sehen wexden in kurzem, sintemal der Abschied von diesem Leben für Gott viel 
geringer ist, denn ob ich von Mansfeld hieher von euch oder ihr von Witten— 
berg gen Mansfeld von mir zöget. Das ist gewißlich wahr: es ist um ein 
Stündlein Schlafs zu thun, so wird's anders werden. 
Wiewohl ich nun hoffe, daß euer Pfarrherr und Prediger euch in solchen 
Sachen ihren treuen Dienst reichlich werden erzeigen, daß ihr meines Geschwätzes 
nicht fast bedürft; habe ich doch nicht lassen mögen, mein leiblich Abwesen, das 
mir (Gott weiß) von Herzen wehe thut, zu entschuldigen. 
Es grüßen euch und bitten auch treulich für euch meine Käthe, Hänschen, 
Lenchen, Muhme Lehne und das ganze Haus. Grüßet meine liebe Mutter und 
die ganze Freundschaft. Gottes Gnade und Kraft sei und bleibe bei euch 
ewiglich. Amen. Zu Wittenberg am 15. Febr. 1530. Euer lieber Sohn 
Martinus Luther. 
Als Luther desselben Jahres in Coburg war, empfieng er am 5. Juni 
die Todesnachricht. Er nahm flugs seinen Pfalter, gieng in die Kammer und 
weinte so viel, daß ihm der Kopf des andern Morgens „ungeschickt“ war. Dann 
ließ er sich nichts mehr merken.) 
8. F. v. Schiller an seine Mutter. 
Jena, 19. September 1796. 
Herzlich betrübt ergreife ich die Feder, mit Ihnen und den Schwestern den 
schweren Verlust zu beweinen, den wir (7. Sept.) erlitten haben. Zwar gehofft 
habe ich schon eine Zeitlang nichts mehr; aber wenn das Unvermeidliche ein— 
getreten ist, so ist es immer ein erschütternder Schlag. Daran zu denken, daß 
etwas, das uns so theuer war, und woran wir mit den Empfindungen der 
frühen Kindheit gehangen und auch im späten Alter mit Liebe geheftet waren, 
daß so etwas aus der Welt ist, daß wir mit allem unserm Bestreben es nicht 
mehr zurückbringen können, daran zu denken ist immer etwas Schreckliches. Und 
wenn man erst, wie Sie, theuerste Mutter! Freude und Schmerz mit dem ver— 
lornen Gatten und Freunde so lange, so viele Jahre getheilt hat, so ist die 
Trennung um so schmerzlicher. Auch wenn ich nicht einmal daran denke, was 
der gute verewigte Vater mir und uns allen gewesen, so kann ich mir nicht 
ohne wehmüthige Rührung den Schluß eines so bedeutenden und thatenvollen 
Lebens denken, das ihm Gott so lange und mit solcher Gesundheit fristete, und 
das er so redlich und ehrenvoll verwandte. Ja wahrlich, es ist nichts Geringes, 
auf einem so langen und ehrenvollen Laufe so treu auszuhalten und so, wie er, 
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