— Prosa. — Geistliche Rede.
sagen, es ist lauter schädliches Gift den Kindern, so man die Ruthe nicht in die
Hände nimmt.
Die Erde bringt keine Frucht, sondern Disteln, wenn man sie nicht mit
scharfem Pflugeisen durchgräbt: die Jugend thut kein gut, wenn man sie nicht
scharf hält. Das Eisen, so erst aus dem knopperten Bergwerk gebrochen, ist
nichts Guts, es lomme denn der harte Hammerstreich darauf : die Jugend bleibt
nichts nutz, so man der Streiche verschonet.
Der Weinstock wird nicht tragen, sondern verfaulen, so nicht ein Stecken
dabei steht: die Jugend wird nicht fleißig sein, sondern faul, wenn nicht die
Ruthe daneben steckt.
Die Musik wird auf Katzenart ungereimt verbleiben, wenn der Taktstreich
des Kapellmeisters abgehet: die Jugend wird sich mehrst ungereimt verhalten,
wenn der Takt der Eltern oder des Präceptors mangelt.
Die Leinwand des Malers wird kein schönes Bildnis darstellen, wenn er
den Streichpinsel nicht in die Hand nimmt: die Jugend wird den Eltern keine
Zierde bringen, wenn sie nicht wohl mit dem birkenen Streichpinsel auf die
Leibfarbe anhalten.
Wie nennet Clemens Alexandrinus die Kinder? Er nennt sie lloxes
matrimonii, Blumen des Ehestandes. Gut, gut! Die Blumen müssen um—
zäunt sein init Ruthen und Stecken, sonst kommt eine jede Sau darüber. Wie
nennt der H. Vater Augustinus die Kinder? Er nennt sie naviculas fluctuantes,
kleine wankende Schifflein. Gut, gut! zu diesen Schifflein muß man Ruder
brauchen, die der Besenbinder feil hat. Wie nennt der H. Gregorius Nazian—
zenus die Kinder? Oculos suorum parentum, Augäpfel ihrer Eltern. Gut,
zut! aber den Augäpfeln hat die Natur Augenbrauen gesetzt, welche wie die
Ruthen gestellt sind. Wenn man aber die Ruthe sparet, so kommt Schande
und Schaden über die Kinder. Nero wär' kein solcher Bösewicht geworden, wenn
ihn seine Mutter Agrippina hätte schärfer gehalten. Jener Sohn hätte bei dem
Galgen der Mutter das Ohr nicht abgebissen, wenn sie ihn hätte besser gezüch—
tigt in seiner Jugend. Derselbe Bube wäre wohl nicht schlimm geworden,
welchen der Beichwwater befraget, ob er das Vaterunser könne, der antwortet
mit Nein, worauf der Pater widersetzt: „Ei, das ist nichtsnutz!“ Eben
darum, sagt der schlimme Schelm, hab' ich's nicht gelernt.“ Dieser wäre bei
weitem nicht so böse geworden, wenn seine Eltern öfters hätten die Ruthe ge—
braucht. Ein andrer ist drei Jahre in einer Schule wegen seiner Faulheit und
Unfleiß sitzen geblieben, welches ihm der Vater hart verwiesen, dem aber der
Sohn zugeredet: „Mein Vater! verwundert euch doch nicht zu sehr über dies;
ist doch mein Professor schon das vierte Jahr in dieser Schule!“ Dieser Mause⸗
tbnig wäre nicht so träge und faul gewesen, dafern er in der Jugend die Ruthe
mehr gekostet hätte.
136. M. Claudius: Parentation über Anselmo.
Gehalten am ersten Weihnachtstage.
NB! Nicht in der Kirche, sondern nur im Zimmer neben dem offenen Sarge, und
war niemand da, als Andres.
Andres! hier liegt er! Aber er hört und sieht uns nicht mehr.
Anselmo ist todt, unser lieber Anselmo! Wie ist dir zu Muth, Andres?
Er pflegte, wie du weißt, die Welt 'n Krankenhospital zu nennen, darin
die Menschen bis zu ihrer Genesung verpflegt werden. Er ist nun genefen und
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