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53 Anthologie mittelalterlicher Gedichte.
Empfahn durch eure Lieb' allein,
So laßt's auch eure Sorge sein,
Daß ich diese beide
Von dem Teufel scheide,
Um Gott mich ganz zu geben.
Dies Welt⸗ und Erdenleben
Bedroht uns mit der Seele Verlust.
Es hat mich irdisch böse Lust,
Die hin zur Hölle führet,
Bisher noch nicht berühret.
Gott hab' ich Dank zu sagen,
Der mir in jungen Tagen
Solchen Sinn gegeben,
Daß ich dies eitle Leben
An Wert erachte gering und klein.
Ich will nun unbefleckt und rein
Mich geben in des Herrn Gewalt.
Ich fürchte, würd' ich hienieden alt,
Mich zöge der Erde Süße
Unter ihre Füße,
Wie sie schon manchen gezogen,
Der auch von ihr betrogen.
Auch nur noch bis zum Morgenlicht
Zu leben verlockt die Welt mich nicht.
All ihre Lust ist Herzeleid
Und bleibt es auch in alle Zeit;
Ihr süßer Lohn ist bittre Not,
Ihr langes Leben ein jäher Tod.
Nur eins ist sicher je und je:
Heute Wohl und morgen Weh,
Und dann zuletzt der gestrenge Tod.
Das ist doch nichts als Drang und Not.
Vor ihm schirmt nicht Geburt noch Gut,
Nicht Schönheit, Stärke, stolzer Mut.
Sitte selbst und Ehre