Full text: Lesebuch für die Oberklassen evangelischer Elementarschulen in Elsaß-Lothringen

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5. Er hat für jede Frage So geht er dir zur Seite 
nicht Antwort gleich bereit; und redet gar nicht viel 
sein Wahlspruch heißt: Ertrage; und denkt nur in die Weite, 
die Ruhstatt ist nicht weit! — ans schöne, große Ziel. 
Spitta. 
5. Die Bürde. 
Einen steilen Waldweg hinauf trug keuchend ein armer alter 
Mann ein schweres Gepäck. „Gott! ach Gott!“ seufzte er; „ist denn 
weit und breit keine mitleidige Seele, die mir meine Last tragen 
hilft?“ — „Hier ist sie!“ rief hinter seinem Rücken eine ihm unbe— 
kannte, freundliche Stimme. Betroffen sah der Alte sich um und er— 
blickte einen schönen, blondlockigen Jüngling, dessen freundliches Aus— 
sehen ihm sogleich Vertrauen einflößte. „O, freundlicher junger Mann“, 
sagte der Alte, „du kommst mir wie ein Engel Gottes vom Himmel. 
Ich habe dieses Gepäck in die Stadt zu tragen übernommen, um mei— 
nen armen Enkelchen, deren Vater und Mutter tot sind, ein Stückchen 
Brot zu verdienen, und nun merke ich zu spät, daß es meine Kräfte 
übersteigt. Dürfte ich dich bitten, einen Teil davon auf deine jungen, 
kräftigen Schultern zu übernehmen?“ — „Vor allem laß uns aus— 
ruhen, lieber Alter“, versetzte der Jüngling, „und dann noch einmal 
versuchen, was deine eigenen Schultern vermögen.“ Hiermit hob er 
die Bürde von dem Rücken des Alten, ließ sich mit ihm im Schatten 
der neubelaubten Eiche nieder und zog ein Stück nahrhaften Brotes 
nebst einer Flasche stärkenden Getränkes hervor. „Iß nun und trink, 
Väterchen!“ sprach er und reichte ihm beides hin. Mit zitternder Be⸗ 
gierde griff der Alte danach und verzehrte es mit Heißhunger, wäh— 
rend der Jüngling sich mit ihm in freundlichen Gesprächen unterhielt. 
„Auf nun, daß wir die Stadt erreichen, ehe die Sonne sich 
neigt!“ sprach endlich der Jüngling und erhob sich zuerst von dem 
moosigen Sitze. Wehmütig blickte der Greis auf seine Bürde und 
bittend in die blauen Augen seines Begleiters. Er glaubte in diesen 
die Gewährung seines Wunsches zu lesen, als der Jüngling auch 
wirklich nach der Last griff, aber leider! nicht um sie zu teilen oder 
selbst zu tragen, sondern um sie wieder auf die Schultern des 
Alten zu legen. Erschrocken sah dies der Greis; aber zu seiner Ver— 
wunderung fand er sich von dem Genossenen so gestärkt, daß ihm die 
Bürde kaum halb so schwer vorkam. Als nun beide am Ende des 
Waldes sich trennen wollten, sagte der Alte: „Du hast mir besser ge— 
holfen, edelmütiger Jüngling, als ich gewünscht hatte; du solltest meine
	        
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