Full text: Für Oberklassen (Teil 2, [Schülerband])

h 
4 
2. Ein guter Sohn, der im Glücke sich seiner geringen Eltern 
nicht schümt. 
In dem Regimente des berühmten, von Friedrich dem Großen hoch⸗ 
geehrten Generals von Ziethen stand auch ein Rittmeister mit Namen 
Qurzhagen. Er war klug, tapfer und hatte ein kindliches Gemüt. Seine 
Ellern waren arme Landleute im Mecklenburgischen. Mit dem Verdienst⸗ 
orden auf der Brust rückte er nach Beendigung des siebenjährigen Krieges 
in Parchim ein. 
Die Ellern waren von ihrem Dörfchen nach der Stadt gekommen, 
um ihren Sohn nach Jahren wieder zu sehen; sie erwarteten ihn auf dem 
Markte. Wie er sie erkannte, sprang er rasch vom Pferde und umarmte 
sie unter Freudenthränen. Baͤld darauf mußten sie zu ihm ziehen und 
ßen allezeit mit ihin an seinem Tische, auch wenn er vornehme Gäste hatte. 
Einst spottete ein Offizier darüber, daß Bauern bei einem Rittmeister 
zu Tische säßen. „Wie sollte ich nicht bie ersten Wohlthäter meines Lebens 
dankbar achten?“ war seine Antwort. „Che ich des Königs Rittmeister 
wurde, war ich ihr Kind“. 
Der brade General von Ziethen hörte von diesem Vorfalle und bat 
sich selbst nach einiger Zeit mit mehreren Vornehmen bei dem Rittmeister 
zu Gaste. Die Eltern des letzteren wünschten dieses Mal selbst, nicht am 
Tische zu erscheinen, weil sie sich verlegen fühlen würden. Als man sich 
setzen wollte, fragte der General: „Aber Kurzhagen, wo sind Ihre Eltern? 
Zch denke, sie essen mit Ihnen an Anem Tische⸗. Der Rittmeister lächelte 
und wußte nicht sogleich zu antworten. 
Da stand Ziethen auf und holte die Eltern selbst herbei; sie mußten 
sich rechts und Unks an seine Seite setzen, und er unterhielt sich mit ihnen 
aufs freundlichste. Als man anfing, Gesundheiten auszubringen, nahm 
er sein Glas, stand auf und sprach: „Meine Herren! es gilt dem Wohl⸗ 
ergehen dieser braven Eltern eines verdienstvollen Sohnes, der es beweist, 
daß ein dankbarer Sohn mehr wert ist als ein hochmütiger Rittmeister“. 
Später fand der General Gelegenheit, dem Konige von der kindlichen 
Achtung zu erzählen, welche der Rittmeister seinen Eltern erwies, und 
Friedrich U. sreute sich sehr darüber. Als Kurzhagen einst nach Berlin 
am, wurde er zur koöniglichen Tafel gezogen. „Hör Er, Rittmeister“, 
fragte der König, um seine Gesinnung zu erforschen, „von welchem Hause 
ftammt Er denn eigentlich? Wer sind Seine Eltern?“ „Eure Majestät“, 
nlwortete Kurzhagen ohne Verlegenheit, „ich stamme aus einer Bauern— 
hütte, und meine Eltern sind Bauerbleute, mit denen ich das Glück teile, 
das ich Eurer Majestät verdanke“. 
„So ist's recht“, sagte der König erfreut; „wer seine Eltern achtet, 
8 in ehrenwetter Mann; wer sie gering schätzt, verdient nicht, geboren 
u sein· * 
Ephes. 6.2. Ehre Vater und Mutter, das ist das erste Gebot, das Verheißung hat. 
Pustkuchen-Glanzow. 
3. Das Erkennen. 
1. Ein Wanderbursch' mit dem Stab in der Hand 
Kommt wieder heim aus dem fremden Land.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.