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So hat sie stets mit saurem Schweiß
Ihr Brot in Ehr' und Zucht gegessen
Und ausgefüllt mit treuem Fleiß
Den Kreis, den Gott ihr zugemessen.
2. Sie hat in ihren jungen Tagen
Geliebt, gehofft und sich vermählt;
Sie hat des Weibes Los getragen,
Die Sorgen haben gefehlt;
Sie hat den kranken Mann gepflegt,
Sie hat drei Kinder ihm geboren;
Sie hat ihn in das Grab gelegt —
Und Glaub' und Hoffnung nicht verloren.
3. Da galt's, die Kinder zu ernähren;
Sie griff es an mit heiterm Mut,
Sie zjog sie auf in Zucht und Ehren,
Der Fleiß, die Ordnung sind ihr Gut.
Zu suchen ihren Unterhalt,
Entließ sie segnend ihre Lieben;
So stand sie nun allein und alt,
Ihr war ihr heitrer Mut geblieben.
4. Sie hat gespart und hat gesonnen
Und Flachs gekauft und nachts gewacht,
Den Flachs zu feinem Garn gesponnen,
Das Garn dem Weber hingebracht;
Der hat's gewebt zu Leinewand;
Die Schere brauchte sie, die Nadel,
Und nähte sich mit eigner Hand
Ihr Sterbehemde sonder Tadel.
5. Ihr Hemd, ihr Sterbehemd, sie schätzt es,
Verwahrt's im Schrein, am Ehrenplatz;
Es ist ihr erstes und ihr letztes,
Ihr Kleinod, ihr ersparter Schaͤtz.
Sie legt es an, des Herren Wort
Am Sonntag früh sich einzuprägen,
Dann legt sie's wohlgefällig fort,
Bis sie darin zur Ruh' sie legen.
6. Und ich, an meinem Abend, wollte,
Ich hätte, diesem Weibe gleich,
Erfüllt, was ich erfüllen sollte
In meinen Grenzen und Bereich;
Ich wollt', ich hätte so gewußt,
Am Kelch des Lebens mich zu laben,
Und könnt' am Ende gleiche Lust
An meinem Sterbehemde haben.
Chamisso.
18. Der Hexenmeister.
Es war einmal ein Hexenmeister — wenigstens nannten ihn
die Bauern so — dem geriet alles, was er anfing. Im ganzen
Felde hatte er die schönste Frucht, und wenn alle anderen Wiesen
dürre waren, so0 wucehs auf der seinigen Heu in Fülle. Seine Hüh-
ner legten alle Tage Eier, und seine Kübe gaben ganze Eimoer voll
Mileh. Und wenn es an das Verkaufen kam, so vollten die Leute
in der Stadt von des Hexenmeisters Butter und Käse haben.
Ebenso die Bãcker, wenn sein Meizen ausgedroschen war, oder
die Fleischer, wenn er ein fettes Schwein zu verkaufen hatte. Kurz,
alle Leute sagten: „Es gehbt nicht mit rechten Dingen zu, er ist
ein Hexenmeister“.
Aber der Hexenmeister kehrte sich nicht an die Leute. Er
stand alle Morgen zuerst im Dorfe auf und ging zuletzt zu Bette.
Wo seine Tagelöhner arbeiteten, da sah er nach; und wenn sie es
nicht recht machten, so zeigte er es ihnen. In seinem Stalle sah
es aus, als venn darin getanzt werden sollte, so rein war alles.
Was in die Miststãtte gehörte, das lag darin, nicht aber im Stalle oder
im Hofe. Dem Knechte und der Magd wollte es anfangs nicht bei
dem Hexenmeister gefallen, weil er alles nachsah und sie immer
tadelte, wenn sie es nicht recht machten. Da sie aber satt zu essen
bekamen und zu rechter Zeit ihren Peierabend und Rubetag hatten
und aussserdem einen schönen Lohn erhielten, so blieben sie doch
bei ihm und liessen es sich gefallen.
Die Bauern aber ärgerten sich über den Hexenmeister und tha-
ter ihm gern einen Schabernack. Mer vorüberging, wvarf ihm
einen Stein in den Garten. WMas that der Hexenmeister? Er las