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Kopf wüste, die Hand laß, der Geldbeutel leer, im Schranke ist kein Brot
und — im Gewissen kein Friede. Denk du nur so, dann wird das Ende
die Last tragen! So meint's aber das Sprichwort nicht! Es meint viel—
mehr: ein Heutgethan sei besser als dre Morgenwillichsthun. Es mahnt
dich daran, nichts aufzuschieben. Es ist, und wer wüßte das nicht aus
eigener Erfahrung, ein absonderlicher Fluch auf dem Ausschieben. Aufge⸗
schoben, sagt zwar das Sprichwort auch, ist nicht aufgehoben, aber die êr—
fahrung lehrt, daß allerdings und taufendmal fur einmal aufgeschoben auf⸗
gehoben ist. Man kommt eben nicht mehr dazu. Das ist so recht ein
Lotterbett für die Faulen, daß sie innner sagen: „Morgen! ja, morgen !
— „Auf Nimmerlebstagi“ sagen die Schwaben und haben, bei meiner
Treue, recht. Nein, mein lieber Geselle, schieb nichts auf morgen auf,
was du heute thun kannst; denn erstlich weißt du ja nicht, ob du morgen
noch lebst, zweitens hat jeder Tag seine Arbeit und auch seine Plage, wie
der Herr selber sagt. Denk immer: Ein Heute ist besser als drei Morgen,
und schaff' mit Gottesfurcht, was du nur immer heute noch fertig bringen
kannst. Und prägst du dir das in die Seele und schreibst es mit Kreide an
die Stubenthür unter den Kalender, den du dir 14 abschreibst, so weiß
ich sicherlich, daß du mir's dankst. Und wenn du doch eben am Schreiben
bist, so bitt' ich dich, schreib noch eins dazu, nämlich das goldene Sprüch—
lein: „Bete und arbeite!“ Deun siehst du: das Beten allein thut's nicht;
aber das Arbeiten ohne Beten thut's gar nicht, denn dem fehlt der Segen
Gottes. Darum beides zusammen und nie getrennt, das ist das Rechte
und Echte. Die Alten wußten recht gut aus Erfahrung, warum sie das
Morgengebet Morgensegen und vas Abendgebet Abendsegen nannten.
Probier's nur einmal recht! Du lernst dann auch, warum es so heißt.
W. O. von Horn (W. Oerteh.
69. Dichterworte.
1. Gottes Mühlen mahlen langsam,
Wahlen aber trefflich klein;
Ob aus Langmut er sich säumet,
Bringt durch Schärf' er's wieder ein.
2. Was du Ird'sches willst beginnen, heb zuvor
Deine Seele im Gebet zu Gott empor
Einen Prüfstein wirst du finden im Gebet,
Ob dein Ird'sches vor dem Göttlichen besteht.
3. Wohlthaten, still und rein gegeben,
Sind Tote, die im Grabe leben,
Sind Bäume, die im Sturm bestehn,
Sind Sternlein, die nicht untergehn.
4. Wehe dem, der zu sterben geht
Und keinem Liebe geschenkt hat,
Dem Becher, der zu Scherben geht
Und keinen Durst'gen gelräͤnkt hat
Logau.
Rückert
Claudius.
Rückert.