457
Angriffs den Feind aufzuhalten, den das Feuer ihrer Infanterie nicht
zum Stehen gebracht hatte.
Ohne die drohende Gefahr zu ahnen, dringt die preußische Infanterie
Schritt für Schritt weiter vor. Da plötzlich ertönt das warnende, jedem
Soldaten wohl bekannte Signal: „Kavallerie, Kavallerie, Kavallerie rückt
an. Nur Ruhe, ihr Leute!“ Es sind furchtbar aufregende Augenblicke,
die nun folgen. Das jagt hervor und lärmt und dröhnt. Da stürzen
Reiter kleine Hohlwege herab, die andern setzen drüber weg; — der
preußische Hauptmann steht da wie aus Eisen. Nicht eine Muskel rührt
sich; nur das Blut steigt ihm in die Wangen, und sein Auge ist un—
verwandt auf die einhersausende Wolke gerichtet. Steinhaufen und Hecken
bringen neue Reiter zu Fall; um so besser! Ihre Kameraden aber jagen
weiter; schon erkennt man Uniformen, sogar Gesichter. — Der preußische
Hauptmann rührt sich nicht. Ein junger Grenadier denkt entsetzt: Um
Gotteswillen, er ist vor Schreck sprachlos geworden! O thörichter Rekrut,
der du den deutschen Offizier so wenig kennst!
Jetzt hört man schon das Schnauben der Rosse; ein feindlicher,
voraussprengender Kapitän ist nur noch dreißig Schritt vor der Schützen—
linie; die Reiter folgen hundert Schritt hinter ihm nach; man vernimmt
ihren Schlachtruf: „Es lebe Frankreich!“ Da plötzlich kommt Leben in
den eisernen Hauptmann; seine Brust schöpft voll Atem, und dann klingt's
laut, kurz, scharf: „Legt an! Feuer!“
Ratsch — kracht die Salve, und dann knattert's und prasselt's und
speit's Feuer und Blei, als ob die Hölle los wäre auf die armen
Reiter.
Die Wirkung der auf einmal einschlagenden Geschoßmasse ist eine
ganz furchtbare. Als ob die feindliche Reiterlinie mitten in der rasenden
Carriere plötzlich auf eine unsichtbare Wand gestoßen sei, so stockt alles
mit einemmale. Da bäumen sich zu Tod getroffene Rosse senkrecht in
die Höhe, schlagen mit den Vorderfüßen in die Luft, überstürzen sich und
erdrücken durch ibx Gewicht die unglücklichen Reiter, die das feindliche
Geschoß verschont hat; neben diesen brechen Tiere zusammen, als ob sie
plötzlich der Blitz erschlagen habe; die Reiter aber fliegen infolge der
rasenden Schnelligkeit über sie weg und dürfen froh sein, wenn ihnen
nur ein paar Rippen und nicht der Schädel bei dem jähen Sturze ein—
geschlagen werden; andere Pferde zertreten die unglücklichen, auf der Erde
liegenden Reiter oder zerschmettern jedem die Knochen, der nicht aus—
weichen kann; es stöhnt und pustet und schnaubt und schreit; bunt durch—
einander wälzen sich Roß und Reiter, und in diesen wirren Haufen
schlagen unerbittlich die deutschen Geschosse und verwunden und töten
ohne Gnade, ohne Erbarmen.