Full text: (Für das 7. und 8. Schuljahr) (Abteilung 2, [Schülerband])

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Bischof gab es leider der Verräter noch mehrere in Deutschland, selbst 
unter Gelehrten und Ministern, die der schlaue Ludwig zu bestechen 
wußte. So weit war Deutschland heruntergekommen. Dden Ministern 
eß er namhafte Geschenke zugehen und nannte sie Cousins; die Gelehrten, 
die in ihren Schriften Frankreich über alles erhoben, begnadigte er mit 
Pensionen und ließ ihnen schreiben, wenn er auch nicht das Vergnügen 
habe, ihr Herr zu sein, so gewinne er und die französische Nation doch 
hon jedem Fortschritt der Wissenschaft, und er sei deshalb den Förderern 
derselben immer verpflichtet. Nicht umsonst schmeichelte Ludwig diesen un— 
patriotischen Leuten; er wollte sich die römische Kaiserkrone verschaffen, 
und jene thaten das Ihrige redlich dazu, ihn als den ersten Monarchen, 
den die Welt habe, darzustellen. Dabei verstand er es, den französischen 
Hof zum blendenden Millelpunkt des irdischen Glanzes zu machen. Seine 
oͤustschlösser mit den großen Marmortreppen Und berühmten Spiegelgalerieen, 
seine Gartenanlagen mit den beschnittenen Alleeen und Springbrunnen, 
seine Hoftrachten, Hoffeste, Hofgebräuche wurden das Musterbild für Europa, 
lamentlich in Deutschland. Alle, auͤch die kleinsten Reichsritterschaften, 
ahmten ihm rasch und eifrig nach; jeder schuf sich ein Versailles, ein Palais 
Ludwigs, wie es die Welt vorher nicht gesehen. Auch die kurzen Bein— 
eider mit dem Frack, die Schuhe mit den seidenen Strümpfen wurden 
uͤberall eingeführt. Selbst die französischen Perücken fanden Eingang, die 
allenfalls die leichten, gewandten Franzosen tragen kounten, die sich aber 
auf den Köpfen der ernsten Deutschen gar uübel ausnahmen, und doch zwang 
die Mode alle Stände, die Perücken anzunehmen, sogar die Geistlichkeit; ja, 
so weit verirrte man sich, daß man selbst die Bäume in den Gärten perücken⸗ 
förmig zuschnitt. Aber nicht nur die Sitten wurden französisch, auch die 
Sprache ward es. Luther hatte eine so kräftige, schöne deutsche Sprache 
geschaffen, man benutzte sie nicht. Um vornehm zu thun, trat man den 
Franzosen nach, verschnörkelte und verhunzte mit französischen Brocken die 
reiche, edle deutsche Sprache, und der außerordentliche Aufschwung, den 
Luther ihr gegeben, vermochte sich nicht zu halten, bis endlich ein Klopstock, 
Lessing, Goethe, Schiller die deutsche Sprache wieder zu Ehren brachten. 
Franzoͤsische Lehrer und Tanzmeister wurden nach Deutschland berufen, 
um franzoͤsische Bildung zu lehren; wer Geld hatte, unternahm Reisen 
nach Paris, um hier im Mittelpunkt sich verfeinern und nebenbei sich mit 
seinem derben deutschen Wesen ausspotten zu lassen von den leichtfüßigen 
Franzosen. Alles wandte seine Blicke auf Frankreich. Daheim aber ver— 
hrannte man Hexen, folterte man die Angeklagten, trieb Goldmacherei und 
Sterndeuterei. 
Unter allen deutschen Fürsten war es der große Kurfürst, der es 
am schmerzlichsten fühlte, welche Schmach es für Ddeutschland sei, sich von 
den Franzosen so herabsetzen zu lassen. Sein Sieg bei Fehrbellin über 
die gefürchteten Schweden hob zuerst Preußen in der öffentlichen Meinung. 
Einer seiner Nachfolger, Friedrich Wilhelm, schaffte die Perücken und 
die französischen Hofkleider b. Sein Wahlspruch war: „Ich will nicht 
französisch sein.“ 
Nach Vehse. 
Vaterl. Lesebuch 11I1. 2. 2. Aufl. 
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