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schehen. Das Steigen des mit ängstlich harrenden Blicken beobachteten
Barometers bestätigte dies. Wie ein Lauffeuer pflanzte sich die frohe
Kunde von Mund zu Mund: „Das Barometer steigt!“ und der alte
Mut kehrte in die Herzen zurück. Da plötzlich wurde die Hoffnung
wieder vernichtet. Der Großmast gab nach einer Seite nach. Noch ein
paar Zoll, dann verlor er seinen Halt, riß die andern mit sich und das
Schiff wäre dann in diesem Wirrsal als Wrack verloren gewesen.
Deshalb mußte es unverzüglich mit der andern Seite gegen
den Wind gelegt werden. An Segelsetzen war aber nicht mehr zu
denken; sie wären wie das Großmarssegel in tausend Stücke zerfeht
worden; deshalb sollten die Matrosen als solche dienen. Sie wurden
hinauf beordert, um durch ihre Körper eine Fläche für den Druck des
Windes auf dem Vorderteil des Schiffes zu bilden und es auf diese
Weise herumzubringen. Vergebens! den Leuten wehten die Kleider vom
Leibe, aber das Schiff blieb wie angemauert in seiner Lage. Das letzte
Mittel war, den Besanmast zu kappen. Schon standen die Zimmerleute
mit ihren Arten bereit, doch wollte der Kapitän zuvor sehen, ob die
Maschine nicht helfen könne. „In fünf Minuten ist Dampf auf,“ ließ
der Maschinist melden. Aber wie unendlich lang waren diese fünf Minuten!
„Das Schiff fällt!“ rief es plötzlich aus aller Munde, und Freude
strahlte aus den Gesichtern. Ja, es fiel wirklich ab, und sein Kopf drehte
sich allmählich. Der Maschinist hatte Ol und Terpentin auf die Flammen
gießen lassen, um sie anzufachen; noch vor der angegebenen Zeit war so
viel Dampfdruck erzeugt, um die Schrauben in Bewegung zu setzen, die
Korvette bekam etwas Fahrt und gehorchte dem Ruder.
Eine Centnerlast war jedem vom Herzen, als das Schiff endlich
auf die andere Seite gelegt war. Man fühlte sich gerettet, und offenbar
hatte der Wind auch schon etwas abgenommen. Das furchtbare Centrum
war passiert, das Barometer stieg, und der Wind zog sich allmählich süd—
licher, so daß man sich auch vom Lande entfernen konnte. Auch andere
Zeichen deuteten auf eine Wendung zum Bessern. Der Wasserdampf war
weniger dicht, die starre, schwarze Wolkenmasse zerriß und zeigte Lichtstellen,
der Gesichtskreis erweiterte sich, und die See lief nicht mehr so hoch.
Die eigene Gefahr wurde nun vergessen, aber alle Augen waren
auf den Horizont gerichtet, um den Schoner zu sehen. Um fünf Uhr
hatte man ihn zuletzt gesehen, jetzt war es zehn. War es denkbaär, daß
das kleine Fahrzeug fünf Stunden lang diesen Kampf aushalten, solchem
Winde und solcher See Trotz bieten konnte? Der Verstand antwortete:
„Nein“, aber das Herz wollte an die furchtbare Möglichkeit nicht glauben,
und deshalb strengte jeder die Augen an, um seine Mastspitzen zu entdecken.
Es war vergebens, der Teifun hatte sein Opfer gefordert, der
Schoner war in der Tiefe begraben. Vier Offiziere, ein Arzt, ein Ver—
walter und funfzig Matrosen waren mit ihm versunken. Nach Werner.
232. Meeresstille und glückliche Fahrt.
Tiefe Stille herrscht im Wasser, Keine Luft von keiner Seite!
ohne Regung ruht das Meer, Todesstille fürchterlich!
und bekümmert sieht der Schiffer In der ungeheuren Weite
glatte Fläche ringsumher. reget keine Welle sich.