14. DaS HerzenSkäimnerlein. 45. Ehrlichkell.
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14. *Das Herzenskämmerlein.
I Dein herz soll Volles Tempel sein!
Manch teures Rleinod schließt es rin;
drum hält darin Sei Tag und Rächt
getreu ein guter Engel Wacht.
2. Oer pochet warnend ohne Rall:
„Rind, prüfe jeden Herzensgast!
Richt jeder, du da Raum begehrt,
ist rein und deiner.Freundschaft wert."
3. Drum achte gern auf seinen
Rat! —
Romnist du zu einer schlimmen That,
dann schließ' der Augen Fensterlein,
sonst steigt ein Dieb durch jie herein.
4. Und hörst du wo ein böses Wort,
so eil' hinweg von solchem Drt,
verschließ' dein Ghr; durch diese Thür
tritt sonst ein böser Gast zu dir.
ü. Uor allem hüte deinen Mund!
Ach, gar zu bald thut er es Kund,
ob drin noch Gottes Engel thront,
ob drin die Sünde wirkt und wohnt.
6. Dem Guten gönne immer jllatz.
Schließ' treu ins herz solch teuren
Schatz;
ja, will Gott selber zu dir ein, —
schnell öffne Thür und Fensterlein!
Veurhner.
15. Ehrlichkeit.
Ein armer Köhlerknabe saß unter einer hohen Tanne, deren
schwarzgrüne Äste weit umher das frische Moos beschatteten. Aus den
dunklen Augen des blassen Knaben rannen helle Thränen.
Da kam ein alter Herr den holprigen Waldweg daher. Er trug
eine grüne Uniform und einen kurzen Hirschfänger an der Seite. Ein
schneeweißer Backenbart umgab sein faltiges, aber noch frisches Gesicht.
Der jugendliche Agio war der bejahrte Oberförster.
„Warum weinst du?“ fragte der freundliche Alte mit liebevoller
Stimme den fremden Knaben.
„Ach“, erwiderte dieser mit kläglichem Tone, „meine gute Mutter
liegt krank darnieder. Ihre Augen sind fast blind. Deshalb soll ich in
die nahe Stadt gehen und eine heilsame Salbe für die schwachen Augen
holen. Ich habe aber das Geld dazu samt einem ledernen Beutel ver¬
loren.“
„Ist es etwa dieser?“ fragte der graubärtige Herr, indem er ein
kleines Beutelchen aus der gestickten Jagdtasche zog.
„0 nein“, sagte der ehrliche Knabe, „mein Beutel war schlecht
und dünn und lange nicht so voll wie dieser.“
„Dann ist es vielleicht dieser?“ erwiderte der erfreute Oberförster,
indem er ein anderes, graues Beutelchen aus der tiefen Seitentasche seines
grünen Rockes zog.
„Ja, ja, dieser ist es!“ rief der überglückliche Knabe.
Der biedere Alte war von dieser Ehrlichkeit gerührt, gab dem
armen Knaben den löcherigen Beutel zurück und sprach: „Weil du so
brav und ehrlich bist, schenke ich dir noch diesen blanken Thaler. Geh
und kaufe deiner leidenden Mutter manchmal eine stärkende Erquickung
dafür.“ IPirteiiiaun.