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46. Geschichte einer Kornähre.
das Federchen, welches zum Stengel und zu Blättern emporwachsen soll,
wendet sich jedesmal von der Erde weg und steigt nach oben, um Licht
und Luft zu suchen.
Während sich unten in der Erde das Würzelchen ausbreitet und
Lebenssaft an sich zieht, so heben sich die grünen Grasblätter über die
Erde empor. Das Licht und die Sonnenwärme bereiten in den feinen
Röhrchen einen so süßen, nahrhaften Saft, daß Kühe, Schafe, Ziegen
und Pferde kein Gras lieber verzehren als das Korngras.
3. Es dauert nicht lange, so zeigt sich schon das junge Ährchen.
Dasselbe ist von einem Blatte wie von einem grünen Mantel umhüllt.
Zwar schwankend und dünn ist das Rohr, auf dessen Spitze die Ähre
steht; doch hat es auch starke Knoten, daß es der Wind nicht zerknicke.
Diese Knoten lassen durch viele kleine Löcher den Saft aus der Wurzel
emporsteigen.
Die langen, schmalen Blätter am Stengel haben keinen besonderen
Stiel wie die Blätter des Birn- und Apfelbaumes; sondern sie laufen
unten in eine Scheide aus, welche den Halm umgiebt. Sie wehen
fröhlich in der Luft, um den Regen und Tau des Himmels zu sammeln
und das Sonnenlicht und die frische Luft einzusaugen; denn die Pflanze
muß Atem holen so gut wie der Mensch und das Tier. Ist aber
die Ähre bald reif, dann welken die Blätter.
Nun siehe, wie künstlich der liebe Gott die Ähre gebaut hat!
Sie besteht aus vielen einzelnen Ährchen, die alle so an einen ge¬
meinschaftlichen Stiel geheftet sind, daß immer ihrer zwei einander
gegenüberstehen. Zu einem Ährchen gehören aber zwei Blüten, die
in einem Kelche brüderlich zusammenwohnen. Der Kelch ist aus zwei
schmalen, spitzigen Blättern gebildet; er ist die Hülle für die eigentliche
Blüte, welche auch aus zwei Blättchen zusammengesetzt ist. Von
diesen ist das äußere mit einer langen Spitze oder Granne versehen,
so daß man glauben könnte, das Körnlein wolle eine Lanze einlegen
gegen die Angriffe der Vögel. Auf diese Weise wird das nackte Korn
so lange geschützt, bis es ausgedroschen werden kann.
4. Woher ist aber das Körnlein gekommen? — Da hängen in
zarten Fäden drei gelbe Beutelchen aus dem Kelche heraus. In diesen
Beutelchen stecken viele tausend Körnchen eines ganz feinen Staubmehles,
welches der Blütenstaub genannt wird. Weht nun ein frischer Wind
über das Kornfeld, daß es aussieht wie grüne Wafferwogen, so fallen
die Staubkörnchen auf ein anderes Körperchen, das gerade in der Mitte