Full text: Lesebuch für die mittlere Stufe (Abteilung 1, [Schülerband])

68 
ii MP 'HMiliiliB 1 
46. Geschichte einer Kornähre. 
das Federchen, welches zum Stengel und zu Blättern emporwachsen soll, 
wendet sich jedesmal von der Erde weg und steigt nach oben, um Licht 
und Luft zu suchen. 
Während sich unten in der Erde das Würzelchen ausbreitet und 
Lebenssaft an sich zieht, so heben sich die grünen Grasblätter über die 
Erde empor. Das Licht und die Sonnenwärme bereiten in den feinen 
Röhrchen einen so süßen, nahrhaften Saft, daß Kühe, Schafe, Ziegen 
und Pferde kein Gras lieber verzehren als das Korngras. 
3. Es dauert nicht lange, so zeigt sich schon das junge Ährchen. 
Dasselbe ist von einem Blatte wie von einem grünen Mantel umhüllt. 
Zwar schwankend und dünn ist das Rohr, auf dessen Spitze die Ähre 
steht; doch hat es auch starke Knoten, daß es der Wind nicht zerknicke. 
Diese Knoten lassen durch viele kleine Löcher den Saft aus der Wurzel 
emporsteigen. 
Die langen, schmalen Blätter am Stengel haben keinen besonderen 
Stiel wie die Blätter des Birn- und Apfelbaumes; sondern sie laufen 
unten in eine Scheide aus, welche den Halm umgiebt. Sie wehen 
fröhlich in der Luft, um den Regen und Tau des Himmels zu sammeln 
und das Sonnenlicht und die frische Luft einzusaugen; denn die Pflanze 
muß Atem holen so gut wie der Mensch und das Tier. Ist aber 
die Ähre bald reif, dann welken die Blätter. 
Nun siehe, wie künstlich der liebe Gott die Ähre gebaut hat! 
Sie besteht aus vielen einzelnen Ährchen, die alle so an einen ge¬ 
meinschaftlichen Stiel geheftet sind, daß immer ihrer zwei einander 
gegenüberstehen. Zu einem Ährchen gehören aber zwei Blüten, die 
in einem Kelche brüderlich zusammenwohnen. Der Kelch ist aus zwei 
schmalen, spitzigen Blättern gebildet; er ist die Hülle für die eigentliche 
Blüte, welche auch aus zwei Blättchen zusammengesetzt ist. Von 
diesen ist das äußere mit einer langen Spitze oder Granne versehen, 
so daß man glauben könnte, das Körnlein wolle eine Lanze einlegen 
gegen die Angriffe der Vögel. Auf diese Weise wird das nackte Korn 
so lange geschützt, bis es ausgedroschen werden kann. 
4. Woher ist aber das Körnlein gekommen? — Da hängen in 
zarten Fäden drei gelbe Beutelchen aus dem Kelche heraus. In diesen 
Beutelchen stecken viele tausend Körnchen eines ganz feinen Staubmehles, 
welches der Blütenstaub genannt wird. Weht nun ein frischer Wind 
über das Kornfeld, daß es aussieht wie grüne Wafferwogen, so fallen 
die Staubkörnchen auf ein anderes Körperchen, das gerade in der Mitte
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.