100
20. Geist der Zeit.
locken umsäuselten — ein Rächer erstehe aus dieser Schande! Liebe, all¬
gemeine Liebe gegen uns selbst, ewiger Haß gegen die listigen Fremden er¬
wachse! Und wir sind erlöst, und unsre Kinder sind Freie.
Und ihr, deutsche Männer, die ihr mitzieht zur Unterdrückung, die ihr
5 mithelft zur Schändung, könnt ihr die Zeit, könnt ihr eure Pflicht, könnt
ihr euch selbst nicht begreifen? Es ist ja nichts übrig von der alten Zeit
und ihren Verhältnissen; es ficht ja der Sachse nicht gegen den Branden¬
burger, der Österreicher nicht gegen den Preußen und Bayern; es ist ja nicht
der kleine Streit um einige Ämter und Städte, es ist der große um ewige
10 Ehre und ewige Schmach. Seht doch, fühlt doch, was ihr seid, und was
ihr tut! Zieht ein einziger Schwede je gegen Schweden, ein einziger Russe
gegen Russen, ein Franzose gegen Franzosen das Schwert? Horcht doch!
Könnt ihr die Sprache, den süßesten Klang der Gemeinschaft, nicht hören,
die ihr sprechet? Könnt ihr die nicht hören, welche diejenigen sprechen, die
15 ihr niedersäbelt und erschießet? Sollte das Schwert euch nicht aus der Hand
fallen? Solltet ihr nicht blutige Tränen weinen bei den deutschen Tönen
der Zertretenen und Sterbenden, die ihr zertratet und mordetet? Solltet
ihr, wo unter deutschem Befehl für Deutschlands Rettung nur ein Banner
weht, euch nicht zum deutschen Bund gegen die Franzosen zusammenschließen
20 und tausendmal lieber gegen sie die Erschlagenen als für sie die Sieger sein
wollen? Ja, Mörder, Verräter, verblendete Buben seid ihr, die ihr den
Schoß eurer Mutter zerfleischet, ihre Söhne tötet, ihre Töchter schändet
und sie und euch selbst an die Fremden verkaufet, die euch verachten und
verhöhnen! Wenn kein deutscher Mann mit ausziehen wollte, was kein solcher
25 dürfte, würde es den Franzosen gelingen, nur einen Mann für sich zu be¬
waffnen? O bitterste Qual, unter den Gepriesensten und Ausgezeichnetsten
des Feindes Namen zu lesen, die deutsch klingen!
Deutsches Volk! Der schlaue Verderber will euch auch durch die
Religion entzweien; dahin spielt und winkt er. O seid wach und laßt es
30 ihm nicht gelingen! Für der Väter Torheit und Wahnsinn ist genug gebüßt
in früheren Tagen durch herrliche Opfer, durch lange Kriege, durch Millionen
Leichen, durch verwüstete Städte und Gefilde. Laßt euch nicht verführen,
laßt nicht neu werden, was längst vergessen und veraltet ist! Bedenkt, daß
wir alle Christen, daß wir alle Deutsche, daß wir Söhne der Germanen sind,
35 die am Rhein und an der Donau, am Pontus und am Nordmeer die Schmach
der Welt an den Römern rächten. Ein Volk zu sein, ein Gefühl zu haben
für eine Sache, mit dem blutigen Schwerte der Rache zusammenzulaufen,
das ist die Religion unsrer Zeit; durch diesen Glauben müßt ihr ein-