1. Palästina.
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eckigen Türmen gekrönt. Bei massigem Schritt kann sie in 5/4 Stunden
umgangen werden. Vier Thore öffnen sich, dem Verkehr. Unser Bild
zeigt das Stephansthor auf der Ostseite. Vor ihm soll Stephanus, der
erste Märtyrer, gesteinigt worden sein. Innerhalb dieser Ringmauer liegt
die altehrwürdige Stadt mit ihren vielen Türmen, Kuppeln und
Minarets. Vor allem zieht die uns zunächstliegende Oststadt unseren
bewundernden Blick auf sich. Da sehen wir nahe vor uns die weite
Fläche, auf welcher der herrliche Tempel gestanden. An seiner Stelle
erhebt sich der — auf dem Bilde dicht an der Stadtmauer sichtbare —
2. Felsendom oder die Omarmosehee. Dieses grossartigste
Bauwerk des heutigen Jerusalem stellt Bild 57 a genauer dar. Seine
Grundform bildet ein Achteck. Jede der acht Seiten ist 20 m lang und
hat sieben Fenster von staunenswerter Farbenpracht, durch welche das
Innere feierlich beleuchtet wird. Die "Wände sind oben mit bunten Ziegeln
von prunkenden Farben, unten aber mit Marmorplatten belegt. Ringsum
laufen Inschriften aus dem Koran. Der Fussboden besteht aus feinstem
Marmormosaik. Über vier starken Pfeilern erhebt sich eine gewaltige
Kuppel von 35 m Höhe.*) Das „Allerheiligste" liegt genau unter der
Kuppel. Es ist von einem Eisengitter (zwischen den obengenannten vier
Pfeilern) und dann noch von einem niedrigen, hölzernen Gitter (zwischen
8 inneren Pfeilern) umschlossen. In seiner Mitte liegt auf dem mit
Marmor getäfeltem Boden der berühmte heilige Fels Sachra, ein Kalk¬
stein von 18 m Länge, 14 m Breite und 2 m Höhe. Er ist von
einem Baldachin überschattet. Von diesem Felsstück weiss der Talmud
viel zu erzählen: er soll den Mittelpunkt der Erde bezeichnen und den
Abgrund verschliessen. Er ist die Spitze des Moriah, wo wahrscheinlich
schon Abraham, jedenfalls aber David dem Herrn einen Altar baute. Der
Sachra stammt nach der Meinung der Mohammedaner aus dem Paradiese,
und Mohammed selbst ist von ihm aus auf dem Wunderpferde Burak
in den Himmel gefahren. Rechts vom Felsendom ragt ein hoher Säulen¬
schaft, ein Minaret, empor. Von hier aus wird Mohammed dem Welt¬
gericht beiwohnen. Auf der von einer Mauer umschlossenen, nicht ganz
ebenen Fläche des Tempelplatzes befinden sich ausser dem Felsendom noch
viele Gebäude. Die zahlreichen Kuppeln deuten Gräber der Moslemin
an, die sich am liebsten hier unter der Tempelmauer begraben lassen, —
um am Tage der Auferstehung ihrem Propheten recht nahe zu sein.
Zwischen Mauern und Gräbern stehen einzelne Cypressen. Sie schauen
traurig hernieder auf den Ort, wo einst des Herrn Ehre wohnte. Im
H. erhebt sich der Ölberg. Von hier aus sah man zu Jesu Zeit auf
die mit massiven Goldplatten gedeckten Zinnen, die Lichtstrahlen wie
Feuerglanz ausstrahlten.
Kehren wir wieder zu Bild 32a zurück! Die Häuser der Stadt
*) Gelehrte auf dem Gebiet der Baukunst halten den Felsendom für den
ältesten hoch emporgehobenen Kuppelbau, der vielen anderen Bauten ähnlicher Art
zum Muster gedient (z. B. dem St. Peter in Rom), weil sicù in ihm die grösste
Einfachheit mit der höchsten Schönheit verbindet.
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