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O, du mein liebes Menschenkind,
hast du noch keins, so kauf's geschwind,
und ging dein letzter Groschen drauf,
geh' eile, flieg' und schlag' es auf;
und lies dich fromm und schlag es du
nur mit des Sarges Deckel zu.
Des Lesens und des Lebens Lauf
beginn' und höre mit ihm aus.
Luther.
Eltern und Kinder.
19. Königliche Kinderzucht.
Der kleine Prinz von Wales, der älteste Sohn der mächtigen Königin
Viktoria von England, stand eines Tages in einem Zimmer des könig—
lichen Landsitzes am Fenster, dessen Scheiben bis hinunter auf den Fuß⸗
boden reichten. Er sollte seine Lektion auswendig lernen, schaute aber
hinaus in den Garten und spielte mit seinen Fingern an den Scheiben.
Seine Erzieherin, Fräulein Hillyard, bemerkte das und bat ihn freundlich,
an das Lernen seiner Aufgabe zu denken. Der kleine Prinz sagte: „Ich
mag nicht.“ — „Dann muß ich Sie“, sagte das Fräulein, „in die Ecke
stellen.“ — „Ich will nicht lernen,“ antwortete trotzig der Kleine, „und
ich muß nicht in der Ecke stehen, denn ich bin der Prinz von Wales.“
Indem er dies spricht, stößt er mit dem Fuße eine Fensterscheibe hinaus.
Da erhebt sich Fräulein Hillyard von ihrem Stuhle und sagt: „Prinz,
Sie müssen Ihre Lektion lernen, oder ich muß Sie in die Ecke stellen.“
— „Ich will nicht,“ sagt der Kleine und stößt eine zweite Fensterscheibe
hinaus. Das Fräulein klingelt, der Kammerdiener kommt. Durch diesen
läßt sie seinem Vater, dem Prinzen Albert, sagen, sie bäte, daß Seine
Königliche Hoheit sich hierher bemühen möchte, weil sie in dringenden
Angelegenheiten des Sohnes mit ihm zu sprechen habe.
Der treugesinnte Vater kommt sogleich und läßt sich alles, was
soeben vorgegangen war, erzählen. Er wendet sich hierauf an seinen
kleinen Sohn, und indem er auf einen kleinen Schemel deutet, sagt
er: „Setze dich jetzt einmal hierher und bleibe da, bis ich wieder—
komme.“ Darauf geht er in sein Zimmer und holt sich von dort eine
Bibel. „Höre nun,“ spricht er zu dem kleinen Prinzen, „was der
heilige Apostel Paulus dir und andern Kindern von deiner Art sagt.“