Full text: Augsburger Lesebuch für die sechste Volksschulklasse

22 65. Kaiser Karls V. Einzug zum Reichstag in Augsburg im Jahre 1530. 
ihren Platz sich selber genommen und wenigstens stellten sie 
sich vortrefflich dar. Sie erschienen alle in lichtem Harnisch, 
mit roten Leibröcken; je fünfe ritten in einem Gliede; große 
eeuhe kündigten sie von ferne an, es mochten 450 Pferde 
sein. 
Man bemerkte den Unterschied, als nun nach dieser so 
durchaus kriegerischen Pracht die Höfe des Kaisers und des 
Königs anlangten: voran die Pagen, in gelben oder roten 
Samet gekleidet, dann die spanischen, böhmischen und deutschen 
Herren in samtnen und seidnen Kleidexn, mit großen, goldnen 
Ketten, aber fast alle ohne t sn ritten sie die 
schönsten Pferde: türkische, spanische und polnische. Die Böhmen 
versäumten nicht ihre Hengste wacker zu tummeln. Dem Geleite 
folgten nun die Herren selbst. Ein paar Reihen Trompeter, 
zum Teil in des Königs, zum Teil in des Kaisers Farben, Heer— 
pauker mit ihren Trommelschlägern und Herolde kündigten 
sie an 
3 waren alle die mächtigen Herren, die in ihren weiten 
Gebieten fast ohne Widerspruch herrschten, deren nachbarliche 
Entzweiungen Deutschland mit Getümmel und Krieg zu erfüllen 
pflegten: Ernst von Lüneburg und Heinrich von Braunschweig, 
Georg von Sachsen und sein Schwiegersohn Philipp von Hessen, 
die Herzoge von Bayern und ihre Vettern, die Pfalzgrafen, die 
nach flüchtiger Annäherung sich wieder voneinander zu ent— 
fernen begannen, neben den Brandenburgern die Herzoge von 
Pommern, die jenen zum Trotz auf dem Reichstag zu einer un— 
mittelbaren Belehnung zu gelangen gedachten. Jetzt erkannten 
sie einmal sämtlich einen Höheren über sich an und erwiesen 
ihm gemeinschaftliche Verehrung. Den Fürsten folgten die Kur— 
fürsten, sowohl weltliche als geistliche. Nach ihnen endlich kam 
ihr erkorener und nun gekrönter Kaiser unter einem prächtigen 
dreifarbigen Baldachin, welchen sechs Herren vom Augsburger 
Rate trugen, auf einem polnischen, weißen Hengste. Man be— 
merkte, daß er allein in dieser Umgebung fremd erschien: vom 
Kopf bis zum Fuß war er spanisch gekleidet) Er hätte seinen 
Bruder auf der einen und den Legaten auf der andern Seite 
neben sich zu haben gewünscht; denn diesem wollte er über— 
haupt die höchste Ehre erweisen: die geistlichen Kurfürsten sollten 
demselben den Vorrang n sui sie waren dahin nicht 
zu bringen gewesen. Außerhalb des Baldachins ritten nun König 
Ferdinand und der Legat nebeneinander. Ihnen folgten die 
deutschen Kardinäle und Bischöfe, die fremden Gesandten und 
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