42. Die Königin Luise non Preußen an ihren Pater,
den Herzog von Mecklenburg-Strelitz.
M c in c l, den 17. Juni 1807.
Mit der innigsten Rührung und unter Tränen der dankbarsten
Zärtlichkeit habe ich Ihren Brief vom Monat April gelesen. Wie sott
ich Ihnen danken, bester, zärtlichster Vater, für die vielen Beweise Ihrer
Liebe, Ihrer Huld, Ihrer unbeschreiblichen Vatergüte! Welcher Trost
ist dies nicht für mich in meinem Leiden und welche Stärkung! Wenn
mau so geliebt wird, kaun man nicht ganz unglücklich sein.
Es ist wieder aufs neue ein ungeheures Ungemach über uns ge-
kommeu, und wir stehen auf dem Punkt, das Königreich zu verlassen.
Bedenken Sie, wie mir dabei ist; doch bei Gott beschwöre ich Sie, ver¬
kennen Sie Ihre Tochter nicht! Glauben Sie ja nicht, daß Kleinmut
mein Haupt beugt. Zwei Hauptgründe habe ich, die mich über alles er¬
heben. Der erste ist der Gedanke: Wir sind kein Spiel des blinden Zu-
fatts, sondern wir stehen in Gottes Hand, und die Vorsehung leitet
uns; der zweite: Wir gehen mit Ehre unter. Der König hat bewiesen,
der Welt hat er es bewiesen, daß er nicht Schande, sondern Ehre will.
Preußen wollte nicht freiwillig Sklavenketten tragen. Auch nicht einen
Schritt hat der König anders handeln können, ohne seinem Charakter
ungetreu und an seinem Volke Verräter zu werden. Wie dieses stärkt,
kann nur der fühlen, den wahres Ehrgefühl durchströmt. — Doch zur
Sache. —
Durch die unglückliche Schlacht von Friedland kam Königsberg in
französische Hände. Wir sind vom Feinde gedrängt, und wenn die Ge¬
fahr nur etwas näher rückt, so bin ich in die Notwendigkeit versetzt,
mit meinen Kindern Memel zu verlassen. Der König wird sich wieder
mit dem Kaiser vereinigen. Ich gehe, sobald dringende Gefahr eintritt,
nach Riga. Gott wird mir helfen, den Augenblick zu bestehen, wo ich
über die Grenzen des Reiches muß. Da wird es Kraft erfordern: aber
ich richte meinen Blick gen Himmel, von wo alles Gute und Böse
kommt, und mein fester Glaube ist: Er schickt nicht mehr, als wir
tragen können! Noch einmal, bester Vater, wir gehen unter mit Ehren,
geachtet von Nationen, und wir werden ewig Freunde haben, weil wir
sie verdienen. Wie beruhigend dieser Gedanke ist, läßt sich nicht sagen.
Ich ertrage alles mit einer solchen Ruhe und Gelassenheit, die nur
Ruhe des Gewissens und reine Zuversicht geben kann. Deswegen seien
Sie überzeugt, bester Vater, daß wir nie ganz unglücklich sein können,
und daß mancher, mit Kronen und Glück bedrückt, nicht so froh ist,
als wir es sind. Gott schenke jedem Guten den Frieden in seiner Brust,