Full text: [Band 2, Abteilung 1, [Schülerband]] (Band 2, Abteilung 1, [Schülerband])

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allerdings nicht entgehen. Um Vesperzeit kam ein rüstiger, frischer 
Mann ängeschritten mit einer großen Bürde auf dem Rücken. 
Unter seinem festen, sichern Tritt ertönte jedesmal die Last, die 
er trug. Der Laurer freute sich, sobald er ihn in der Ferne 
witterte, daß ihm nun seine Beute gewiß war, und rüstete sich, 
seinen Meisterstreich auszuführen. Der keuchende Steffen hatte 
beinahe das Gebirge erstiegen; nur die letzte Anhöhe war noch 
zu gewinnen, so ging's bergab nach der n zu, darum 
spulete er sich, den Gipfel zu erklimmen; aber der Berg war 
steil und die Last schwer. Er mußte mehr als einmal ruhen, 
stützte den knotigen Stab unter den Korb, um das drückende Ge— 
wicht desselben zu mindern und trocknete den Schweiß, der ihm 
in großen Tropfen vor der Stirne stund. Mit rnn der 
letzten Kräfte erreicht' er endlich die Zinne des Berges, und ein 
schöner, gerader Pfad führte zu dessen Abhang. Mitten am 
Wege lag ein abgesägter Fichtenbaum, und der Ueberrest des 
Stammes stund daneben, kerzengerade und aufrecht, oben geebnet 
wie ein Tischblatt. Ringsumher befand sich grüner Rasen. 
Dieser Anblick war dem ermüdeten Lastträger so anlockend und 
zu einem Ruheplatz so bequem, daß er ah den schweren 
Korb auf den Kloßz absetzte, und sich gegenüber im Schatten auf 
das weiche Gras streckte. 
Hier übersann er, wie viel reinen Gewinn ihm seine Waare 
diesmal einbringen würde, und fand nach genauem Ueberschlag, 
daß, wenn er keinen Groschen in's Haus verwendete und die 
fleißige Hand seines Weibes für Nahrung und Kleider sorgen 
ließe, er gerade so viel lösen würde, um auf dem Markte zu 
Schmiedeberg sich einen Esel kaufen und befrachten zu können. 
Der Gedanke, wie er in Zukunft den Grauschimmel die Last 
aufbürden und gemächlich nebenher gehen würde, war ihm zu 
der Zeit, wo seine Schultern eben wund gedrückt waren, so 
daß er ihm, wie natürlich, weiter nachhing. Ist 
einmal der Esel da, dacht' er, so soll mir bald ein Pferd draus 
werden, und hab' ich nuͤn den Rappen im Stalle, so wird sich 
auch ein Acker dazu finden, darauf sein Hafer wächst. Aus 
einem Acker werden dann leicht zwei, aus zweien vier, mit der 
Zeit eine Hufe, und endlich ein Bauerngut, und dann soll Ilse 
auch einen neuen Rock haben. 
Er war mit seinen Entwürfen beinahe so weit wie jenes 
Milchmädchen, da tummelte Rübezahl seinen Wirbelwind um 
den Holzstock herum und stürzte mit einem mal den Glaskorb her— 
unter, daß der zerbrechliche Kram in tausend Stücken zerfiel. 
Das war ein Doͤnnerschlag in Steffens Herz; zugleich vernahm 
er in der Ferne ein lautes Gelächter, wenn's anders nicht
	        
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