Full text: [Band 2, Abteilung 1, [Schülerband]] (Band 2, Abteilung 1, [Schülerband])

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nehmen damit zu beschönigen. Aber im Stalle fand er alles öd' 
und wüste, da war nichts, was Leben und Odem hatte, weder 
Ziege noch Böcklein. Im ersten Schrecken vermeint er, es hab' 
ihm bereits ein Diebsgenosse vorgegriffen, dem das Stehlen ge— 
läufiger sei als ihm: denn Unglück kommt selten allein. g. 
stürzt sank er auf die Streu und überließ sich, da ihm auch der 
letzte Versuch, seinen Handel wieder in Gang zu bringen, miß— 
lungen war, einer dumpfen Traurigkeit. 
Seitdem die Ilse vom Pfarrer wieder zurück 
war, hatte sie mit frohem Mulhe alles fleißig zugeschickt, ihren 
Mann mit einer guten Mahlzeit zu empfaugen, wozu sie den 
Geistlichen auch eingeladen hätte, welcher verhieß, ein Kännlein 
Speisewein mitzubringen, um beim fröhlichen Gelag dem auf— 
gemunterten Steffen von der reichen Exrbschaft des Weibes Be— 
richt zu geben, und unter welcherlei Bedingungen er daran Genuß 
und Antheil haben solle. Sie sah gegen Abendzeit fleißig zum 
Fenster aus, ob Steffen käme, lief aus Ungeduld hinaus vor's 
Dorf, blickte mit ihren schwarzen Augen gegen die Landstraße 
hin, war bekümmert, warum er so lange weile, und da die Nacht 
hereinbrach, folgten ihr bange Sorgen und Ahnungen in die 
Bettkammer, ohne daß sie an's Abendessen dachte. an kam 
ihr kein Schlaf in die ausgeweinten Augen, bis sie gegen Mor— 
gen in einen unruhigen matten Schlummer fiel. Den armen 
Steffen quälten Verdruß und Langeweile im Ziegenstalle uicht 
minder; er war so niedergedrückt und kleinlaut, daß er sich nicht 
traute an die Thür zu klopfen. Endlich kam er doch hervor, 
pochte ganz verzagt an und rief mit wehmüthiger Stimme: 
„Liebes Weib, erwache und thue auf deinem Männe!“ Sobald 
Ilse seine Stimme vernahm, sprang sie flink vom Lager wie 
ein munteres Reh, lief an die Thür und umhalsete ihren Mann 
mit Freuden; er aber erwiederte diese herzlichen Liebkosungen 
gar kalt und frostig, setzte seinen Korb ab und warf sich miß— 
muthig auf die Ofenbauk Wie das rn Weib das Jammerbild 
sah, ging's ihr an's Herz. „Was plagt dich, lieber Maun?“ sprach 
sie bestürzt, „was hast du?“ Er antwortete durch Stöhnen und 
Seufzen; dennoch fragte sie ihm bald die Ursach seines Kum— 
mers ab, und weil ihm das Herz zu voll war, konnt' er sein 
erlittenes Unglück dem trauten Weibe nicht länger verhehlen. 
Da sie vernahm, daß Rübezahl den Schabernack verüht hatte, 
errieth sie leicht die wohlthätige Absicht des Geistes, und könnte 
sich des Lachens nicht erwehren, welches Steffen ihr bei muthi— 
gerer Gemüthsfassung übel würde gelohnet haben. Jetzt ahndete 
er den Leichtsinn nicht weiter, und fragte nur un 
lich nach dem Ziegenvieh. Das reizte noch mehr des Weibes
	        
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