Volke, das bisher durch unübersteigliche Schranken der Gesinnung und der 
Sitte von allen andern getrennt war, erhob sich dann mit der Kraft der 
Wahrheit ein Glaube, der sie alle einlud und aufnahm. Es ward der all— 
gemeine Gott verkündigt, durch den, wie Paulus den Athenern predigte, von 
Einem Blut aller Menschen Geschlechter über den Erdboden wohnen. Für 
diese erhabene Lehre war, wie wir sahen, eben der Zeitpunkt eingetreten: es 
gab ein Menschengeschlecht, sie zu fassen. Wie ein Sonnenblick, sagt Eusebius, 
leuchtete sie über die Erde dahin. In kurzer Zeit sehen wir sie von dem 
Euphrat bis an den atlantischen Ocean, längs des Rheines und der Donau, 
über die gesammten Grenzen des Reiches ausgebreitet. 
So harmlos und unschuldig sie aber auch war, so mußte sie doch der 
Natur der Sache nach starken Widerstand in den bestehenden Diensten finden, 
die sich an die Gewohnheiten und Bedürfnisse des Lebens, an alle alten 
Erinnerungen anschlossen, und jetzt eine Wendung genommen hatten, durch 
die sie der Verfassung des Reiches doch auch wieder entsprachen. 
Der politische Geist der antiken Religionen versuchte sich noch einmal ir 
einer neuen Bildung. Die Summe aller jener selbstständigen Gewalten, 
welche einst die Welt erfüllt, ihr Gesammtinhalt war einem Einzigen zu 
Theil geworden; die Religion erkannte dies an, indem sie dem Imperator 
göttliche Verehrung widmete. Man richtete ihm Tempel auf, opferte ihm auf 
Altären, schwur bei seinem Namen, und feierte ihm Feste; seine Bildnisse 
gewährten ein Asyl. Die Verehrung, die dem Genius des Imperators 
erwiesen wurde, war vielleicht die einzige allgemeine, die es in dem Reiche 
gab. Alle Götzendienste bequemten sich ihr: sie war eine Stütze derselben. 
Dieser Dienst des Cäsar und die Lehre Christi hatten im Verhältniß 
zu den localen Religionen eine gewisse Aehnlichkeit; aber zugleich standen sie 
auch in einem Gegensatz, der sich nicht schärfer denken läßt. 
Der Imperator faßte die Religion in dem weltlichsten Bezuge, — an 
die Erde und ihre Güter gebunden: ihm seien dieselben übergeben, sagt 
Celsus; was man habe, komme von ihm. Das Christenthum faßte sie in 
der Fülle des Geistes und der überirdischen Wahrheit. 
Der Imperator vereinigte Staat und Religion; das Christenthum 
trennte vor allem das, was Gottes, von dem, was des Kaisers ist. 
Indem man dem Imperator opferte, bekannte man sich zur tiefsten 
Knechtschaft. Eben darin, worin bei der früheren Verfassung die volle 
Unabhängigkeit bestand, in der Vereinigung der Religion und des Staates, 
lag bei der damaligen die Besiegelung der Unterjochung. Es war ein Alt 
der Befreiung, daß das Christenthum den Gläubigen verbot, dem Kaiser zu 
opfern. 
Der Dienst des Imperators war endlich auf die Grenzen des Reiches, 
des vermeinten Erdkreises beschränkt; das Christenthum war bestimmt, den 
wirklichen zu umfassen, das gesammte Menschengeschlecht. Das ursprüngliche, 
älteste religiöse Bewußtsein, wenn es wahr ist, daß ein solches allem Götzen— 
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