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42. Esel, Schlange, Nachteule, Feldmaus und die Sonne.
Johann Gottlieb Willamow.
Der Esel:
O Sonne, scheine nicht so heiß!
Ich werde noch vor Mattigkeit und Schweiß
Bei meiner Arbeit unterliegen.
Die Schlange:
Dank sei dem Zeus für seinen Sonnenschein!
Es liegt darin sich mit Vergnügen.
Die Nachteule:
Du mußt wohl ausgelassen sein
Mit deinem mir verhaßten Lichte,
O Sonne! Schone mein Gesichte!
Ich sitze hier mit allem Fleiß verhüllt
In meiner Wohnung tiefsten Gründen
ünd doch hat sie dein Strahl erfüllt;
Ich werde noch erblinden.
Die Feldmaus:
O sei mir lange so geneigt,
Wohltät'ger Sonnenschein! Es reifen meine Ahren.
Die Sonne:
Schweigt, Unverständ'ge, schweigt!
Ich werde mich an euch nicht kehren.
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43. Ellengröbe.
Abraham Eman. Pröhlich.
Die Pappel spricht zum Bãumchen. Es sagt: „Ich bin erfreut,
„Was machst du dich so breit Dab ich nicht blob ein Hol-z,
Mit den geringen Pflaäumchen?“ Nicht eine leere Stangel““
„Was!“ ruft die Pappel stolz,
„Ich bin zwar eine Stange,
Doch eine lange, lange!“
44. Lebensworte.
Abraham Eman. Fröhlich.
Zu dem vollen Rosenbaume „Auch aus Grüften,“ sagt die Blüte,
Sprach der nahe Leichenstein: „Ruft mich Gottes Macht und Güte
„Ist es recht, in meinem Raume Heller noch denn tote Schriften,
Groß zu tun und zu verhüllen Sein Gedächtnis hier zu stiften.
Meiner Sprüche goldnen Schein, Und ich blühe tröstend fort,
Die allein mit Trost erfüllen?“ — Ein lebendig Gotteswort.“