werden kann. Der Menschenkenner wird fast in jeder Zeile mit Bewunderung 
bemerken, mit welcher Feinheit der Mann die innigste Ueberzeugung von der 
Wahrheit und Gerechtigkeit seiner Sache, ohne zu heucheln oder zu kriechen, 
in die Sprache männlicher Bedachtsamkeit zu kleiden gewußt hat. 
„Was mich,“ sind ungefähr seine Worte, „auf den Gedanken brachte, die 
Bewegungen der Himmelskörper anders als gewöhnlich zu erklären, war der 
Umstand, daß die Gelehrten bei ihren Erklärungen nicht einmal durchaus 
eins mit sich selber waren. Der eine erklärte so, der andere anders, und 
keiner that den Erscheinungen am Himmel ganz Genüge. Wenn es an einem 
Ende gut damit ging, so fehlte es dafür am andern. Ja, man blieb nicht 
einmal den Grundsätzen, die man doch angenommen hatte, treu. Daher war 
es auch nicht möglich, dem Ganzen eine gewisse, stete, symmetrische Form zu 
geben. Es glich vielmehr einem Gemälde von einem Menschen, wozu man 
Kopf und Füße von diesem, die Arme und die übrigen Glieder aber von 
jenem genommen hatte, wovon aber keins zum andern paßte. Verfolgt man 
den Gang der dabei gebrauchten Schlüsse, so findet sich, daß bald etwas fehlt, 
bald etwas da ist, was nicht dahin gehört. Wären aber auch alle Voraus⸗ 
setzungen richtig, so müßte doch die Erfahrung auch Alles bestätigen, was 
man daraus folgern kann; das ist aber nicht der Fall. Da ich nun lange 
bei mir über die Ungewißheit dieser Lehren nachgedacht hatte, so war es 
kränkend für mich, zu sehen, daß der Mensch, der doch so Vieles so glücklich 
erforscht hat, noch so wenig sichere Begriffe von der großen Weltmaschine 
habe, die der größte und weiseste Werkmeister, der Schöpfer der Ordnung 
selbst, für ihn dahin gestellt hat. Ich fing zu dem Ende an, so viele Schriften 
der Alten zu lesen, als mir aufzutreiben möglich war, um zu sehen, ob nicht 
irgend einer unter ihnen anders über die Sache gedacht habe, als die Welt— 
weisen, die jene Lehre öffentlich in den Schulen gelehrt hatten.“ 
Die erste Stelle, die ihm auffiel, war, wie er selbst dem Papst erzählt, 
eine beim Cicero und nachher eine andere beim Plutarch. In jener wird 
mit deutlichen Worten gesagt: Nicetas von Syracus habe geglaubt, der 
Himmel, Sonne, Mond und alle Sterne ständen überhaupt stille, und außer 
der Erde sei nichts beweglich in dem Weltgebäude; diese aber drehe sich 
mit großer Schnelligkeit um ihre Achse, und so ließe es, als drehe sich der 
Himmel, und die Erde stände still. In der andern versichert Plutarch eben 
dieses von dem Pythagoräer Ekphantus und von Heraklides aus Pontus; 
sagt aber vorher noch, der Pythagoräer Philolaus habe gelehrt: die Erde 
drehe sich um das Feuer in einem schrägen Kreise, dergleichen die Sonne 
und der Mond durchliefen. „Dieses gab mir nun,“ fährt Kopernikus fort, „Ver⸗ 
anlassung, auch über die Beweglichkeit der Erde nachzudenken. Ob nun gleich 
eine solche Meinung absurd schien, so dachte ich doch, man würde auch mir 
eine Freiheit nicht versagen, die man so vielen Andern vor mir zugestanden 
hatte, nämlich beliebige Kreise und Bewegungen anzunehmen, um daraus 
die Erscheinungen am Himmel zu erklären. Als ich nun anfing, die Erde
	        
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