Full text: [Teil 3, [Schülerband]] (Teil 3, [Schülerband])

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und von wegen des erlauchten Agathyrsus, zeitigen Obervorstehers des— 
selben, Hüters des wahren goldenen Vlieses, obersten Gerichtsherrn 
über alle dessen Stiftungen, Güter, Gerichte und Gebiete und Ober— 
hauptes des edlen Geschlechtes der Jasoniden, um von Euch zu be— 
gehren, daß dem Eseltreiber Anthrax Genugthuung geschehe, weil er 
im Grunde doch am meisten Recht hat. Und daß ers habe, hoffe ich, 
trotz allen den Kniffen, die mein Gegner von seinem Meister Gorgias 
gelernt zu haben sich rühmt, so klar und laut zu beweisen, daß es 
die Blinden sehen und die Tauben hören sollen. Also ohne weitere 
Vorrede zur Sache! 
Anthrax vermietete dem Zahnarzte Struthion seinen Esel auf 
einen Tag, nicht zu selbstbeliebigem Gebrauch, sondern um ihn, den 
Zahnarzt, mit seinem Mantelsack, halben Weges nach Gerania zu tragen, 
welches, wie jedermann weiß, acht starke Meilen von hier entfernt liegt. 
Bei der Vermietung des Esels dachte natürlicherweise keiner von 
beiden an seinen Schatten. Aber als der Zahnarzt mitten auf dem 
Felde abstieg und den Esel, der wahrlich von der Hitze noch mehr 
gelitten hatte, als er, in der Sonne zu stehen nötigte, um sich in dessen 
Schatten zu setzen, war es ganz natürlich daß der Herr und Eigen— 
tümer des Esels dabei nicht gleichgültig blieb 
Ich begehre nicht zu leugnen, daß Anthrax eine alberne und esel— 
hafte Wendung nahm, als er von dem Zahnbrecher verlangte, daß er 
ihn für des Esels Schatten deswegen bezahlen sollte, weil er ihm den 
Schatten nicht mit vermietet habe. Aber dafür ist er auch nur ein 
Eseltreiber von Voreltern her, d. i. ein Mann, der eben darum, weil 
er unter lauter Eseln aufgewachsen ist und mehr mit Eseln als ehrlichen 
Leuten lebt, eine Art von Recht hergebracht und erworben hat, selbst 
nicht viel besser als ein Esel zu sein Im Grunde wars also bloß — 
der Spaß eines Eseltreibers. 
Aber in welche Klasse von Tieren sollen wir den setzen, der aus 
einem solchen Spaß Ernst machte? Hätte Herr Struthion wie ein 
bernünftiger Mann gehandelt, so brauchte er dem Grobian nur zu 
sagen: „Guter Freund, wir wollen uns nicht um eines Eselsschattens 
willen entzweien. Weil ich Dir den Esel nicht abgemietet habe, um 
mich in seinen Schatten zu setzen, sondern um darauf nach Gerania 
zu reiten, so ist es billig, daß ich Dir die etlichen Minuten Zeitverlust 
vergüte, die Dir mein Absteigen verursacht, zumal da der Esel um so 
viel länger in der Hitze stehen muß und dadurch nicht besser wird. 
Da, Bruder, hast Du eine halbe Drachme; laß mich einen Augenblick 
hier verschnaufen, und dann wollen wir uns wieder auf den Weg 
machen!“ 
Hätte der Zahnarzt aus diesem Tone gesprochen, so hätt' er 
gesprochen wie ein ehrliebender und billiger Mann. Der Eseltreiber 
hätte ihm für die halbe Drachme noch ein Gott vergelts! gesagt, und
	        
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