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alle Noth, alle Wintersorge vergessen; der Gatte umschwärmt die Gattin; 
der Liebe urewige Macht hat selbst die Fremde zum Paradiese gewandelt. 
Und nun wird's still im Süden. Einen der Verbannten nach dem andern 
treibt es zurück in das Land, welchem seine ersten Lieder klangen; einer 
nach dem andern läßt die Fremde und kehrt zur lieben Heimat wieder. 
A. E. Brehm. 
16. Die Aussicht vom Sinai. 
Der Gipfel des Sinai ragt mehr denn 2200 Meter hoch über das Meer, 
und beherrscht eine Aussicht über das niedere, ebene Laud und die Wasser— 
fläche, welche einen Umfang von 1000 Kilometer hat, während nach der 
Richtung, wo ferne Bergzüge jenseit dieses Kreises sich erheben, die Aussicht 
um das Doppelte sich erweitert, so daß man den zackigen Umriß des furcht— 
bar schönen Wüstenpanoramas, das sich hier dem Auge darbietet, nahe auf 
1500 Kilometer anschlagen darf: eine Ausdehnung, welche unter dem reinen, 
klaren Himmel Arabiens in unverkürzter Deutlichkeit dasteht. 
Wohl jeder Reisende, der den Sinai besteigt, und die Aussicht von 
seinem Gipfel betrachtet, wird in ihr eine so außerordentliche und eigenthümliche 
anerkennen müssen, daß er derselben keine andere auf Erden zu vergleichen 
weiß. Im Süden wie in Ost und in West bemerkt man an einzelnen Punkten 
den Gürtel des Meeres, der das Hochland der peträischen Halbinsel umschlingt; 
jenseits des Meeres in weiter Ferne mehrere Gebirgshöhen der arabischen 
und der ägyptischen Küste. Es ist, als stände man in der Mitte des riesen⸗ 
großen Horstes eines einsamen Adlers, gegründet auf nackten, öden Felsen 
zwischen die Grenzen der Meere. Nirgends, wohin man auch sieht, eine 
grünende Alpenwiese, nirgends ein Wald; kein rauschender Bach noch Wasser— 
fall, keine Sennenhütte noch Dorfschaft; und wenn nicht gerade der Sturm— 
wind oder die Donner ihre Stimmen erheben, so ist hier eine Stille so hehr 
und so tief, wie nirgends auf Erden. Die Wüste des Sinai mit ihrer Felsen— 
warte ijt ein Denkstein, ein unverändert stehen gebliebenes Werkstück des 
dritten Tages der Schöpfung, da Gott sprach: „Es sammle sich das Wasser 
unter dem Himmel an besondere Oerter, daß man das Trockene sehe!“ — 
eine Versinnlichung jener Zeit der Anfänge, da noch kein Gras und Kraut, 
noch fruchtbare Bäume, kein webendes und lebendes Thier, noch Gevögel, 
noch Vieh, noch Menschen waren, sondern da statt der Kraft des freien 
Lebens nur jenes Gesetz waltete, das der Erdfeste ihre Gestaltung, dem Ge— 
wässer seine bestimmten Grenzen gab. 
Wo kann man wohl in weiterem Umfange und ungehemmter in das 
Getricde der krystallinischen Gestaltung der Felsen hineinschauen, als hier, 
w) ein Erzeugniß der späteren Schöpfungstage die des dritten überkleidet 
„allt, wo das granitische Gebirge mit seinen riesenhaften Tafeln und 
amiden unvermischt mit jüngeren Bergarten emporsteigt, keine seiner 
zun. genden jähen, tiefen Schluchten mit Sandstein oder Kalk ausgefüllt
	        
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