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Friedrichs über unsere Machtmittel uns zu täuschen, angenommen, daß wir
uns getäuscht haben.“
Der Friede zu Tilsit kam am 9. Juli 1807 zustande. Preußen erhielt
seine Provinzen auf dem rechten Elbufer zurück, trat dagegen die meisten ehe—
mals polnischen Länder an den König von Sachsen unter dem Namen eines
Herzogtums Warschau ab; Danzig sollte als Freistaat unter preußischem und
schsischem Schutze stehen. Preußen verlor ferner seine Länder zwischen Elbe
und Rhein; aus diesen wurde mit Hinzuziehung Braunschweigs, des Kurfürsten—
tums Hessen und eines Teils von Hannover das Königreich Westfalen gebildet,
10 das Napoleon seinem jüngsten Bruder Hieronymus verlieh. Preußen verlor
also über die Hälfte seines Königreichs und hatte außerdem noch 140 Millionen
Francs Kriegskosten zu zahlen.
Von den Bewohnern der abgetretenen Provinzen nahm der König in wahr—
haft väterlicher Weise Abschied: „Das Schicksal gebietet,“ so schließt er seine
lß Ansprache, „der Vater scheidet von seinen Kindern; ich entlasse euch aller Un—
terthanenpflicht gegen mich und mein Haus. Unsere heißesten Wünsche begleiten
euch zu eurem neuen Landesherrn; seid ihm, was ihr mir waret! Euer
Andenken kann kein Schicksal, keine Macht aus meinem und der Meinigen
Herzen vertilgen!“
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Wenn alle untreu werden,
so bleib' ich dir doch treu,
daß Dankbarkeit auf Erden
nicht ausgestorben sei.
Für mich umfing dich Leiden,
vergingst für mich in Schmerz;
drum geb' ich dir mit Freuden
auf ewig dieses Herz.
Oft muß ich bitter
daß du gestorben bist
und mancher von den Deinen
dich lebenslang vergißt.
Von Liebe nur durchdrungen,
hast du so viel gethan,
und doch bist du verklungen,
und keiner denkt daran.
210. Treue.
Movalis)
Du stehst voll treuer Liebe
noch immer jedem bei;
und wenn dir keiner bliebe,
so bleibst du dennoch treu.
Die treu'ste Liebe sieget,
am Ende fühlt man sie,
weint bitterlich und schmieget
sich kindlich an dein Knie.
Ich habe dich empfunden,
o, lasse nicht von mir!
Laß innig mich verbunden
auf ewig sein mit dir!
Einst schauen meine Brüder
auch wieder himmelwärts
und sinken liebend nieder
und fallen dir ans Herz.
211. Preußens Erneuerung
GMach Pertz und L. Hahn.)
Das Unglück von Jena und Tilsit ist für Preußen ein großer Segeg,
ja der Anfang einer völligen Erneuerung des Staates geworden. Alle Guten
im Lande fühlten, daß es eine große gemeinsame Schuld war, die zu diesem
Falle geführt hatte, und daß alle in allen Ständen daran ihren Teil hatten.
Es muͤßte an allen Enden und bei allen besser werden, ehe man hoffen
konnte, das Vaterland wieder frei und groß zu machen. Gerade in jener