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wohl dankbar darfst du ihm ins Antlitz sehen,
der dir ein schön Vermächtnis zugewandt;
die schwere Not der bösen Zeit zu mindern,
das war die letzte Sorge, die er trug,
das harte Los des armen Manns zu lindern
der letzte Ruhm, für den sein Herze schlug.
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Und nun schlaf wohl in deines Gottes Frieden,
der Tag war lang, so süßer sei die Ruh.
Solch hohes Ziel war wenigen beschieden,
so gottgesegnet war kein Fürst wie du.
Von deiner Jugend sturmumwölkten Tagen
zu deines Abends goldner Glorienpracht
auf Adlersflügeln hat er dich getragen,
zum Wunder dich vor aller Welt gemacht!
In Gnaden woll' er dich auch dort empfangen
als seinen frommen und getreuen Knecht,
der demutsvoll der Hoheit Weg gegangen,
im Glauben fest, im Wandel schlecht und recht!
Reich ihm die Palme, Königin Luise,
und freue dich des heimgekehrten Sohns,
und grüße segnend aus dem Paradiese
sein Volk, sein Haus, den Erben seinez Throns!
282. Aus Kaiser Friedrichs III. Leben und kurzer Regierung.
Mach Rogge.)
Die Trauer, mit welcher der Heimgang Kaiser Wilhelms ganz Deutsch—
land erfüllte, war doppelt schmerzlich im Hinblick auf das schwere Leiden,
von welchem der Erbe seines Thrones seit länger als einem Jahre heimgesucht
war. Bange Sorge um die tückische Krankheit, die an seinem Leben zehrte,
lastete auf allen Gemütern. Wie verheißungsvoll wäre unter anderen Üm—
ständen der Regierungsantritt eines Herrschers gewesen, dem so wie ihm das
Vertrauen des ganzen Volkes entgegenkam.
Prinz Friedrich Wilhelm war als der einzige Sohn des damaligen Prinzen
Wilhelm, des Bruders Friedrich Wilhelms IV. und nachmaligen Kaisers, und
seiner Gemahlin, der Prinzessin Augusta von Sachsen-Weimar, am 18. Ok—
kober 1831, dem Jahrestage der Völkerschlacht bei Leipzig, im Neuen Palais
bei Potsdam geboren. Da König Friedrich Wilhelm IV. kinderlos war, so
galt der junge Prinz von Jugend auf für den künftigen Thronerben.
Schon früh sah man in ihm die Eigenschaften seiner beiden Eltern in
der glücklichsten Weise vereinigt: vom Vater die alten hohenzollernschen
40 Tugenden des strengen Pflichtgefühls und der ernsten Selbstzucht, wie als
mütterliches Erbteil die Liebe zu Wissenschaft und Kunst und die Freude an
allem Wahren, Guten und Schönen. Beides wurde in seiner Erziehung auf
das sorgfältigste gefördert. Nach der Sitte des Hohenzollernhäuses schon mit
zehn Jahren zum Lieutenant im ersten Garderegiment zu Fuß ernannt, legte
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