88. Die Mönche auf dem St. Bernhardsberge. 165
2. Dieses Kloster ist für einen Vorsteher Grior) und für zwölf bis
fünfzehn Mönche eingerichtet, und solange es steht, hat es nicht an
Männern gefehlt, die ihr Leben diesem beschwerlichen Dienst aufzuopfern
bereit waren. Man denke, was für ein Leben sie wohl dabei führen
müssen. Einen großen Teil ihrer Lebenszeit bringen sie auf dem hohen
Berge zu, wo sie keine Pflanze, kein Kraut, sondern nur Himmel und
Schnee um und neben sich sehen. Uns dünkt ein Winter von acht Wochen
lang; und diese Menschen leben in einem beinahe ewigen Winter, wo sie
keine Sonne erwärmt, kein Frühling, kein Sommer erfreut; denn ihre
Wohnung, 2472 Meter über dem Meere gelegen, ist die höchste Wohnung
in Europa, die das ganze Jahr über bewohnt wird. Alles, was sie
brauchen, müssen sie sich weither und mühsam verschaffen. Oft gehen sie
mit großen Stöcken aus und suchen die Verirrten und Verunglückten mit
großer Sorgfalt auf. Sie halten große Hunde, die dazu abgerichtet
sind, die Verunglückten im Schnee aufzusuchen und ihren Führern anzu⸗
zeigen. Diese Hunde gehen entweder allein aus oder werden von den
Mönchen mitgenommen. Sobald der Hund einen Verunglückten aus—
gewittert hat, kehrt er in pfeilschnellen Laufe zu seinem Herrn zurück
und giebt durch Bellen, Wedeln und unruhige Sprünge seine gemachte
Entdeckung kund. Dann wendet er um, immer zurücksehend, ob man
ihm auch nachfolge, und führt seinen Herrn nach der Stelle hin, wo der
Verunglückte liegt. Oft hängt man diesen Hunden ein Fläschchen mit
einem stärkenden Getränke und ein Körbchen mit Brot um den Hals, um
es einem Ermüdeten zur Erquickung darzubieten. Den Verunglückten,
welche die Mönche finden, wird alle mögliche Hilfe geleistet. Sind sie
aber nicht mehr ins Leben zurückzubringen, so werden ihre Leichname bei
dem Kloster in einer eigens dazu bestimmten Kapelle aufgestellt. In
dieser dünnen, kalten Luft verwesen die Leichname nicht, sondern trocknen
aus und bleiben oft nach Jahren noch erkennbar.
89. Die Gebirge Deulschlands.
1. Deutschlands Boden ist weit mannigfaltiger als der der meisten
andern europäischen Länder. Während an seiner nördlichen Küste eine
ungeheure Ebene herzieht, die so niedrig liegt, daß sie zum Teil durch
Dämme gegen die Fluten des Meeres geschützt werden muß, erheben sich
an seinem südlichen Rande die himmelhohen Alpen, deren höhere Spitzen
mit ewigem Schnee und Eise bedeckt sind. Und zwischen diesen höchsten
und tiefften Grenzen liegen die Hochebenen, die Gebirge und das Hügel⸗
land von Mittel- und Süddeutschland. Da streichen Bergketten don