142. Kaiser Karl der Große. 285
sorgte, daß die Gemeinden tüchtige Geistliche und Bischöfe bekamen; sie
mußten wenigstens lesen können, für unsere Zeit freilich nicht viel, für
jene aber nicht wenig. Er ließ eine Sammlung von Vorträgen älterer
Kirchenlehrer veranstalten und ins Deutsche übersetzen, damit dieselben
dem Volke von den Geistlichen vorgelesen würden. Wo er tüchtige, kennt⸗
nisreiche Männer gewinnen konnte, zog er sie an seinen Hof. So berief
er einen sehr gelehrten englischen Mönch Namens Alkuin zu sich und
machte ihn zum Lehrer seiner eigenen Kinder. Einen muntern, wiß—
begierigen Knaben aus dem Odenwalde, den oben genannten Eginhard
oder Einhard, gab er seinen Söhnen zum Gesellschafter, um sie durch
seinen Fleiß anzuspornen.
5. Ein guter Unterricht für seine Kinder lag ihm um so mehr am
Herzen, als er selbst in seiner Jugend ganz vernachlässigt worden war.
Selbst das Schreiben lernte er erst als Mann, und er hatte zu dem
Ende immer eine Schreibtafel unter seinem Kopfkissen, damit er in
müßigen Stunden seine schwertgewohnte Hand im Führen der leichten Feder
üben könnte. Denselben Eifer, den Karl in der Bildung seines eigenen
Geistes sowie seiner eigenen Kinder zeigte, bewies er auch für die Bil—
dung der Jugend überhaupt. Er errichtete am Hofe eine eigene Schule
als Muster für die übrigen im Lande, in welche alle seine Diener, hohe
und niedere, ihre Söhne schicken mußten. Der Unterricht war unent⸗
geltlich; nur freiwillige Gaben dankbarer Eltern wurden angenommen.
Einmal trat er selbst in die Schulstube, hörte eine Zeit lang zu und
ließ sich dann die schriftlichen Arbeiten der jungen Leute zeigen. Die
geschickten mußten alle auf seine rechte, die ungeschickten auf seine linke
Seite treten, und da fand es sich, daß die letzteren meist die Söhne
vornehmer Eltern waren. Er wandte sich zu den fleißigen aber armen
Kindern und sagte: „Ich freue mich, meine lieben Kinder, daß ihr so gut
einschlaget; bleibet dabei und werdet immer vollkommener. Ihr ver⸗
folget euer wahres Beste, und zu seiner Zeit soll euch mein Lohn nicht
fehlen. Ihr aber (und hier wandte er sich zornig zur Linken), ihr
Söhne der Edeln, ihr feinen Püppchen, die ihr euch so reich und vor—
nehm dünket und des Wissens nicht not zu haben meinet, ihr faulen,
unnützen Buben, ich sage euch, bei Gott, euer Wel und eure hübschen
Gesichter gelten nichts bei mir; von mir habt ihr nichts Gutes zu hoffen,
wenn ihr eure Faulheit nicht durch eifrigen Fleiß wieder gut machet.“
6. Auch der Verbesserung des Gesanges widmete Karl seine Auf⸗
merksamkeit. Er stellte zwei gute Sänger aus Italien an, von denen
Gesanglehrer und Vorsänger für Schulen und Kirchen gebildet werden