Full text: [Teil 2 = Oberstufe, [Schülerband]] (Teil 2 = Oberstufe, [Schülerband])

364 180,a. Der Jammer des dreißigjährigen Krieges. 
Hungertod noch eine letzte Nahrung gesucht hatten. Im Magdeburgischen 
soll die Hungersnot sogar Menschenfresser erzeugt haben. Wenn es zuweilen 
geglückt war, eine Fuhr Getreide aus der Ferne in einen solchen Ort einzu⸗ 
führen, so wurden die Bäckerhäuser dergestalt umdrängt, daß viele erstickten; 
und selten konnten doch von dem frischen Brot alle befriedigt werden. Weil 
die durchstreifenden Truppen alles Vieh wegnahmen, so konnte man nirgends 
den Unrat aus den Höfen und von den Straßen hinausschaffen, der dann 
durch jahrelange Anhäufung so ekelhafte Ausdünstungen erzeugte, daß Seuchen 
aller Art die Menschen haufenweise wegrafften. An vielen Orten war das 
Sterben so groß, daß die Leichname dutzendweise wie auf dem Schlachtfeld 
in eine Grube geworfen werden mußten. Der schwedische General Baner 
schrieb von Pommern aus im Jahr 1638 der belagerten Stadt Erfurt, er 
würde ihr schon lange zu Hilfe gekommen sein, wenn nicht zwischen der Oder 
und Elbe alles so verwüstet wäre, daß daselbst weder Hund noch Katze, ge⸗ 
schweige Menschen und Pferde sich aufhalten könnten.“ 
3. Und wie ist es denn in jener schweren Zeit unserem Württemberger 
Land gegangen? Das hat leider auch seinen redlichen Anteil an dem damals 
in Deutschland herrschenden Elend getragen. Es übersteigt allen Glauben, 
wenn man die Beispiele von Grausamkeit und Wut liest, die an den armen 
Württembergern verübt wurden. Die erste Hälfte der Kriegsjahre war für 
Württemberg die erträglichere Zeit. Freilich wurde das Land auch damals 
wiederholt von feindlichen Truppen heimgesucht, und im Jahr 1629 wurden 
unter ihrem Schutze katholische Prälaten und Mönche wieder in das Land 
eingeführt. Auch führte die Not zur Verschlechterung der Münze; die Hirsch⸗ 
gulden z. B. waren kaum 30 Pfennig wert. In der Nördlinger Schlacht 
waren auch 4000 Württemberger gefallen. Nun war es, als ware ein Geist 
der Hölle ausgegangen, der die kaiserlichen Truppen fortriß. Da kamen aus⸗ 
gesuchte Qualen, mehr als viehisches Wüten, und kaum die Sorge um die 
eigene Erhaltung konnte die Solbaten dahin bringen, einer kleinen Zahl von 
Bürgern ihr armes Leben zu lassen, damit diese ihnen fronen könnten. 
4. Auf die Nachricht von jener Schlacht floh Herzog Eberhard nach Straß⸗ 
burg. Kaiser Ferdinand kam nach Stuttgart und übergab einer Statthalter⸗ 
schaft das Regiment. Da kam nun eine traurige Zeit. Es ist vielleicht in 
Schwaben fast keine auch noch so kleine Gemeinde, der nicht aus dieser Zeit 
ein Denkmal übrig geblieben wäre, wenigstens in den Totenregistern. Das 
platte Land war hauptsächlich der Schauplatz der Greuel und der Zerstörung; 
aber auch die ummauerten Orte entgingen nicht immer demselben Schicksal. 
Waiblingen, das mit dem dazu gehörigen Amt 2350 Bürger gezählt hatte, 
behielt nach der ersten Verheerung, die auf die Nördlinger Schlacht folgte, 
nur 145. Ein Teil der Weiber und Kinder ertrank auf der Flucht in der 
Rems, an den übrigen kühlten die Soldaten ihre Wut. In Nürtingen lebte 
damals noch die 70jährige Witwe des Herzogs Ludwig. Die Stadt, wohin
	        
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