36. Betrachtung über ein Vogelnest. 61 
Früchte bringt. Deswegen kann auch der Mensch kein Vogelnest und keine 
Spinnengewebe nachmachen. Gottes Werke macht niemand nach. 
Zweitens wie der ewige Schöpfer an seinem Orte jedem genannten Geschöpf 
seine Wohnung bereitet, aber nicht allen auf gleiche Art, dem einen so, dem 
andern anders, wie es nach seinem Zweck und Bedürfnis recht ist, alfo hat 
er dem Menschen etwas von seinem göttlichen Verstande lassen in die Seele 
träufeln, daß er ebenfalls nach seiner eigenen Überlegung für mancherlei 
Zwecke bauen und hantieren kann, wie er selber glaubt, daß es recht sei. Der 
Mensch kann ein Schilderhäuslein verfertigen, ein Waschhaus, eine Scheuer, 
ein Wohnhaus, einen Palast, eine Kirche, jedes nach seiner Weise, ferner eine 
Kirchenuhr, ferner eine Orgel mit achtundvierzig Registern, ferner einen 
Kalender, was auch etwas heißt. Ein Fink kann nicht zweierlei Nester bauen, 
er kann keinen Kalender schreiben, noch viel weniger drucken. 
Drittens hat der ewige Schöpfer dem Menschen die Gnade verliehen, daß 
er in allen seinen Geschäften unten anfangen und sie durch eigenes Nachdenken, 
durch eigenen Fleiß und übung bis nahe an einige Vollkommenheit hinbringen 
kann, wenn schon nie ganz. Das ist seine Ehre und sein Ruhm. 
37. Der Maulwurf. 
DQue Maulwurf geht den Bauer und Gärtner so nahe an und 
steht bei ihm in einem so übeln Ruf, daß es wohl der Mühe wert 
ist, Leib und Leben, Fänge und Gänge dieses geheimnisvollen Tieres 
etwas genauer zu betrachten. Sein Leib ist walzen⸗ und keilförmig, — 
von der Größe einer Ratte, aber mit ganz kurzem Schwanz. Er 
ist bedeckt mit einem schönen, glänzendschwarzen, auch wohl schwarz⸗ 
blauen oder gelben Sammetpelz, welcher auch im feuchten Boden 
nicht leicht beschmutzt und vom Tier durch die Hinterfüße stets sauber 
ausgekämmt wird. Der Kopf steckt tief in der Schulter und scheint 
bei der Kürze des Halses ohne solchen in den Leib überzugehen. 
Die Nase ist fast wie beim Schwein weit über di Vorderzähne 
hinaus in einen beweglichen Rüssel verlängert, in welchen die 
Nasenlöcher sich öffnen. Der Rüssel bildet vermöge seiner ungemein 
großen Empfindlichkeit ein vorzůgliches Tast⸗· und Geruchswerkzeug 
Augen wie Ohren scheinen ganz zu fehlen, daher manche glauben, 
der Maulwurf sei blind. Aber man darf ihn nur unter Wasser 
tauchen, so öffnen sich schnell die Augenspalten und aus dem dichten 
Pelzwerk blicken zwei gar zierliche, schwarze Äuglein hervor, klein 
wie Mohnkõörnlein. Die Ohren sind schwer zu entdecken, weil die 
Muscheln fehlen. Sie stecken unter der Haut und öffnen sich nur 
durch eine schmale Spalte derselben. Der Bau des innern Ohrs