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des Wachstums immer mehr Süßigkeit an, bis kurz vor der Blüte das
höchste Maß davon erreicht ist. Um diese Zeit werden die Zuckerrohr—
felder abgeerntet, d. h. die Stengel werden über dem Erdboden abgeschnitten,
von den unbrauchbaren Teilen befreit und dann zur Gewinnung des
Saftes gequetscht und ausgelaugt. Der Saft muß dann durch Einkochen
zu Sirup verdickt werden, bis sich schließlich ein Teil in Form von Kri⸗
ftallen ausscheidet. Auch der zurückbleibende Sirup wird zur Nahrung
benutzt.
3. Neben dem Zuckerrohr ist es besonders die deutsche Zuckerrübe, aus
der die größten Mengen des in den Welthandel kommenden Zuckers ge—
wonnen werden. Ja, für unser eigenes Vaterland ist diese Pflanze heut—
zutage die alleinige Zuckerspenderin. Die Zuckerrübe ist nichts weiter als
ne Abart der gewöhnlichen Runkelrübe, welche schon seit Jahrhunderten
in Europa als Viehfutter gebaut wird. Im Jahre 1747 hatte der
Chemiker Marggraf zum erstenmale aus der Runkelrübe Zucker her—
gestellt. Durch planmäßige, sorgfältige Züchtung gelang es, den Zucker⸗
gehalt immer mehr zu steigern, so daß er heute bis 189 und darüber beträgt.
1801 konnte man zum Bau der ersten Rübenzuckerfabrik schreiten. Seit—
dem ist die Entwicklung dieses Gewerbezweiges unaufhaltsam fortgeschritten;
und heute hat er sich das ganze europäische Festland erobert, ja er ist
sogar bis nach Amerika vorgedrungen. An der Spitze aber steht auch
jeht noch Deutschland. So ist es gekommen, daß heutigentages alles
für Zucker ausgegebene Geld im Vaterlande bleiben kann, und daß der
Zucker wohlfeil und selbst dem Minderbegüterten als täglicher Nahrungs⸗
soff zugänglich gemacht worden ist. Denn während noch vor 100 Jahren
ein Pfund Zucker in Deutschland nahezu eine Mark kostete und zeitweise
sogar auf den Preis von 6—9 Mark stieg, kaufen wir es jetzt im Klein⸗
verkauf zu höchstens 80—85 Pfennigen ein; und das, obgleich eine hohe
Steuer darauf lastet.
4. In vielen Gegenden Deutschlands, besonders auch in Südhannover,
bildet der Zuckerrübenbau heute einen Hauptzweig der Landwirtschaft.
Große Strecken des besten Bodens werden mit Rüben bestellt. Zu Beginn
des Sommers sieht man auf den Feldern lange Reihen von Frauen und
Mädchen, häufig Polen oder Ostpreußen, mit dem Verziehen und Hacken
der Rüben beschäftigt, und zur Zeit der Kornernte gewähren die weiten
Flächen mit ihrem üppigen Grün einen prächtigen Gegensatz zu den gold—
selben Kornfelbern. Immer voller wird das Grün, immer dicker werden die
Rüben. Je stärker die Sonne brennt, je höher steigt der Zuckergehalt.
Endlich im Oktober sind sie ausgewachsen, und die „Kampagne“ beginnt.
Überall werden die Rüben gezogen, von den Blättern befreit und dann
zur Fabrik gefahren, wo nun eine emsige, Tag und Nacht dauernde Arbeit
beginnt, da alle Rüben sofort verarbeitet werden müssen. Große Maschinen
schneiden die gewaschenen Rüben in kleine wurmartige Streifen, die in
mächtigen Behaältern im Wasser ausgelaugt werden. Der Saft wird dann
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