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2. Ich blicke dankend zum Himmel empor,
hell jubelnd schmettert der Lerchen Chor,
und wie Wanderburschen lustig und frei
ziehn oben die lichthellen Wölkchen vorbei,
und Käfer und Bienen umschwirren mich,
als wären sie alle so glücklich wie ich.
3. Die Mütze mit Eichengrün umlaubt,
ich schwinge sie jubelnd empor vom Haupt,
und den Stab hoch in der andern Hand,
grüß' ich Vaterhaus und Heimatland.
Schon seh' ich die Mutter — wie wallt mir die Brust!
O Stunde der Heimkehr, o seligste Lust!
23. Beruf des Weibes.
Wolfgang v. Goethe. (Aus „Hermann und Dorothea“.)
Dienen lerne beizeiten das Weib nach ihrer Bestimmung;
denn durch Dienen allein gelangt sie endlich zum Herrschen,
zu der verdienten Gewalt, die doch ihr im Hause gehöret.
Dienet die Schwester dem Bruder doch früh; sie dienet den Eltern,
und ihr Leben ist immer ein ewiges Gehen und Kommen
oder ein Heben und Tragen, Bereiten und Schaffen für andre.
Wohl ihr, wenn sie daran sich gewöhnt, daß kein Weg ihr zu sauer
wird, und die Stunden der Nacht ihr sind wie die Stunden des Tages,
daß ihr niemals die Arbeit zu klein und die Nadel zu fein dünkt,
daß sie sich ganz vergißt und leben mag nur in andern,
denn als Mutter fürwahr bedarf sie der Tugenden alle,
wenn der Säugling die Krankende weckt und Nahrung begehret
von der Schwachen, und so zu Schmerzen Sorgen sich häufen.
Zwanzig Männer verbunden ertrügen nicht diese Beschwerde,
und sie sollen es nicht; doch sollen sie dankbar es einsehn.
24. Der gute Knecht.
Berthold Auerbach.
1. Der Gutsbesitzer Vormann hatte einen guten Knecht, und daß er brav
war, erfuhr er zuerst durch eine kleine Tatsache, an die sich später viele
andere anreihten.
Der Knecht hatte nichts davon gewußt, daß ein Auge ihn sah, als er
sich brav benahm, und das sind die besten Taten, die so geschehen; sie
werden nur selten äußerlich belohnt, aber sie haben doch einen guten
Zahlmeister, der immer bare Münze hat, und das ist der Herr Geheime
Kabinettsrat im Herzen, und wer den bei sich richtig angestellt weiß, dem
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