Full text: Geschichte der Griechen und Römer (Cursus 2)

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Zwölftafeln oder später ergangene gesetzliche Bestimmungen nicht 
auszureichen schienen. Durch diese Edicte wurde die Prätur das 
lebendige Organ (die viva vox juris civilis) für die je den ver¬ 
änderten Umständen angemessene Fortbildung des römischen Pri¬ 
vatrechts. Zugleich bestimmte der Prätor die Beisitzer oder 
eigentlichen Richter, judices (decurias judicum describere), 
deren Zahl in den verschiedenen Zeiten verschieden war. 
5) Diese judices wurden für die öffentlichen Gerichte 
ursprünglich aus dem Senatorenstand gewählt, durch ein Gesetz 
des C. Grachus aus dem Ritterstaud, später endlich durch die 
lex Aurelia judiciaria (von dem Prätor Aurelius Eotta 
70) aus allen drei Ständen, dem Senate, den Rittern und den 
sogenannten tribunis aerariis, gemeinschaftlich. Die Richter für 
die Civilgerichte wurden anfangs ebenfalls aus den Senato¬ 
ren, später auch aus den Rittern, und endlich aus allen drei 
Ständen genommen. Der Praetor urbanus wählte jährlich eine 
bestimmte Anzahl Richter, und verzeichnete deren Namen auf 
einer Tafel, lieber die Auswahl derselben für einen bestimmten 
Fall verständigten sich entweder die Parteien, oder man überließ 
sie dem Prätor. 
6) Die üblichen Strafen waren: multa s. damnum, Buße 
ursprünglich in einer bestimmten Zahl von Rindern und Schafen, 
später in einer Geldsumme bestehend; talio, eine entsprechende 
Wiedervergeltung bei Schädigung des Körpers, bald wohl 
nur selten angewandt; Ruthen hiebe, verbera, durch die lex 
Porcia de tergo civium (198) bei Bürgern abgeschafft; Gefäng- 
niß, vincula (carcer publicus, libera custodia); ignominia 
s. infamia (capitis deminutio); exilium (voluntarium, coac¬ 
tum); Todesstrafe, mors (supplicium). In den ältesten 
Zeiten wurden die Verurtheilten gehängt (in felici arbore sus¬ 
pendere), später enthauptet oder im Gesängniß erdrosselt. Skla¬ 
ven wurden nach vorhergehender Geißelung gekreuzigt. 
§. 172. 
Das Finanzwesen. 
1) Die Einkünfte des römischen Staates waren ursprüng¬ 
lich entweder tributa d. i. Grund- und Vermögenssteuer der 
römischen Bürger (ex censu, in capita), oder vectigalia, 
im weitesten Sinne verschiedene Arten directer und indirecter 
Abgaben umfassend. Bei der glänzenden Finanzlage des römi¬ 
schen Staates, besonders in Folge der Zunahme der indirecten 
Abgaben, ward es möglich, die Grundsteuer der römischen Bür¬ 
ger, das eigentliche tributum, im Jahre 167 ganz aufzuheben, 
w daß Grundsteuerfreiheit fortan als ein Vorrecht des römischen 
Bürgers galt. — Die vectigalia, namentlich aus den Provinzen, 
bildeten das Haupteinkommen des römischen Staates. Die 
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