fullscreen: Poetische Blumenlese oder Grundlagen für den Unterricht in der Poetik und Litteraturgeschichte

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Zweite Abteilung. Epische Poesie. 
194. Der Schenk von Limburg. 
Ludwig Uhland. 
1. Zu Limburg auf der Feste 
Da wohnt' ein edler Gras, 
Den keiner seiner Gäste 
Jemals zu Hause traf. 
Er trieb sich allerwegen 
Gebirg und Wald entlang; 
Kein Sturm und auch kein Regen 
Verleidet' ihm den Gang. 
2. Er trug ein Wams von Leder 
Und einen Jägerhut 
Mit mancher wilden Feder, 
Das steht den Jägern gut; 
Es hing ihm an der Seiten 
Ein Trinkgefäß von Buchs; 
Gewaltig konnt' er schreiten 
Und war von hohem Wuchs. 
3. Wohl hatt' er Knecht und 
Mannen 
Und hatt' ein tüchtig Roß, 
Ging doch zu Fuß von dannen 
Und ließ daheim den Troß. 
Es war sein ganz Geleite 
Ein Jagdspieß stark und lang, 
An dem er über breite 
Waldströme kühn sich schwang. 
4. Nun hielt auf Hohenstaufen 
Der deutsche Kaiser haus. 
Der zog mit hellen Haufen 
Einsmal zu jagen aus; 
Er rannt auf eine Hinde 
So heiß und hastig vor, 
Daß ihn sein Jagdgesinde 
Im wilden Forst verlor. 
5. Bei einer kühlen Quelle 
Da macht' er endlich Halt; 
Gezieret war die Stelle 
Mit Blumen mannigfalt. 
Hier dacht' er sich zu legen 
Zu einem Mittagschlaf, 
Da rauscht' es in den Hägen, 
Und stand vor ihm der Graf. 
6. Da hub er an zu schelten: 
„Treff' ich den Nachbar hie? 
Zu Hause weilt er selten, 
Zu Hofe kommt er nie. 
Man muß im Walde streifen, 
Wenn man ihn fahen will; 
Man muß ihn tapfer greifen, 
Sonst hält er nirgends still.“ 
7. Als drauf ohn' alle Fährde 
Der Graf sich niederließ 
Und neben in die Erde 
Die Jägerstange stieß, 
Da griff mit beiden Händen 
Der Kaiser nach dem Schaft: 
„Den Spieß muß ich mir pfänden, 
Ich nehm' in mir zu Haft. 
8. „Der Spieß ist mir verfangen, 
Des ich so lang begehrt; 
Du sollst dafür empfangen 
Hier dies mein bestes Pferd 
Nicht schweifen im Gewälde 
Darf mir ein solcher Mann, 
Der mir zu Hof und Felde 
Viel besser dienen kann.“ 
9. „Herr Kaiser, wollt vergeben! 
Ihr macht das Herz mir schwer. 
Laßt mir mein freies Leben 
Und laßt mir meinen Speer! 
Ein Pferd hab' ich schon eigen, 
Für Eures sag' ich dank; 
Zu Rosse will ich steigen, 
Bin ich mal alt und krank.“ 
10. „Mit dir ist nicht zu streiten, 
Du bist mir allzu stolz. 
Doch führst du an der Seiten 
Ein Trinkgefäß von vrn 
Nun macht die Jagd mich dürsten, 
Drum thu' mir das, Gesell, 
Und gieb mir eins zu bürsten 
Aus diesem Wasserquell!“ 
11. Der Graf hat sich erhoben; 
Er schwenkt den Becher klar, 
Er füllt ihn an bis oben, 
Hält ihn dem Kaiser dar. 
Der schlürft mit vollen Zügen 
Den kühlen Trank hinein 
Und zeigt ein solch Vergnügen, 
Als wär's des beste Wein.
	        
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