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gespeicherten Gletschervorräten mit bedeutenden Wassermassen gespeist. Fast
alle unsere norddeutschen Flüsse sind im Frühling am wasserreichsten, weil
auf ihren minder hohen Quellgebirgen die Schneeschmelze bereits zu dieser
Jahreszeit eintritt. Dagegen erreicht der Rhein, gespeist von den Alpen—
gletschern, seinen höchsten Wasserstand im Juli. Oberländer.
236. Eine Reise nach dem Monde.
1. Wer bereit ist, mit uns einen Ausflug in den Weltenraum zu machen,
der schnüre sein Bündel. Unsere Reise wird zwar sehr schnell gemacht, dafür
aber sehr weit in die Welt hinausgehen. Reisen wir zu Wasser? zu Pferde?
mit der Eisenbahn? Nichts von alledem! Wir reisen in Gedanken, so
schnell wie der elektrische Funke!
Unser Reiseziel soll der Mond sein! Zunächst jedoch wollen wir oben,
ein paar tausend Meilen von der Erde entfernt, ein wenig Halt machen
und einmal sehen, wie es unserer Erdkugel ohne uns ergeht. Unter uns
liegt sie, von einer Lufthülle umgeben. Diese Lufthülle ist dunstig, wolkig,
und man kann nicht hindurchblicken. Uber uns ist der Himmel merkwürdig
klar, eher schwarz als blau, und die Sterne, die sonst, durch die bewegte
Luft gesehen, so sehr funkeln, leuchten jetzt in nie gesehenem, ruhigem Glanze.
Von der Erde würden wir weiter nichts sehen als Dunst und Nebel; doch
da wir Reisende in Gedanken sind, so wollen wir diese Dünste und Nebel
wegwischen. — Ah! Da sehen wir richtig die Erde!
Sie ist wirklich eine Kugel und dreht sich so, daß der Punkt, von dem
wir abgereist sind, nicht mehr unter uns liegt. Er hat sich fortbewegt nach
der Richtung, die man dort unten Osten nennt. Eigentlich ist ungeheuer
viel Wasser und nur sehr wenig Land auf der Erde. Das, was die Men—
schen Erde oder gar Welt nennen, sind nur Inseln, die das Wasser nicht
bedeckt hat. Wie nichtig klein ist dort Europa! Da nehmen sich Asien
und Afrika schon ganz ansehnlich dagegen aus! Wo ist des Deutschen Vater—
land? Wahrhaftig, wir können es von hier aus kaum finden. Unsere
Provinz Sachsen aber kann man nur mit dem Fernrohr entdecken.
Auf unserer Station haben wir nicht nur Sonnenlicht, sondern auch
Mondlicht und obendrein noch Erdlicht. Denn die beleuchtete Erde beleuchtet
auch den Weltraum. Um die beiden Pole der Erde schwebt ein eigenes
Licht, und dieses Licht, das sich über der Luftschicht befindet, flammt wunderbar
von Zeit zu Zeit auf. Es scheint, als ob es über den Polen der Erde ent—
steht, und als ob das Licht des einen Pols das des andern anzieht, so daß
sich Lichtströme von den beiden Polen entfernen, sich über dem Äquator der
Erde vereinigen und dabei zugleich erlöschen. Daß diese Polarlichter das—
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