Full text: [Oberstufe, [Schülerband]] (Oberstufe, [Schülerband])

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5. „O Sohn, der Feind ist riesen¬ 
stark, 
ihm hielt noch keiner stand. 
Und doch, in dir ist edles Mark, 
ich fühl's am Druck der Hand. 
Nimm hier die alte Klinge! 
Sie ist der Skalden Preis. 
Und fällst du, so verschlinge 
die Flut mich armen Greis!" 
6. Und horch! Es schäumet, und 
es rauscht 
der Nachen übers Meer. 
Der blinde König steht und lauscht, 
und alles schweigt umher, 
bis drüben sich erhoben 
der Schild' und Schwerter Schall 
und Kampfgeschrei und Toben 
und dumpfer Widerhall. 
7. Da ruft der Greis so freudig 
bang: 
„Sagt an, was ihr erschaut! 
Mein Schwert, ich kenn's am guten 
Klang, 
es gab so scharfen Laut." 
„Der Räuber ist gefallen, 
er hat den blut'gen Lohn. 
Heil dir, du Held vor allen, 
du starker Königssohn!" 
8. Und wieder wird es still umher, 
der König steht und lauscht: 
„Was hör' ich kommen übers Meer? 
Es rudert, und es rauscht." 
„Sie kommen angefahren, 
dein Sohn mit Schwert und Schild, 
in sonnenhellen Haaren 
dein Töchterlein Gunild." 
9. „Willkommen!" ruft vom hohen Stein 
der blinde Greis hinab, 
„nun wird mein Alter wonnig sein 
und ehrenvoll mein Grab. 
Du legst mir, Sohn, zur Seite 
das Schwert von gutem Klang; 
Gunilde, du befreite, 
singst mir den Grabgesang." Ludwig Uhland 
5. Die gute Mutter. 
Im Jahre 1796, als die französische Armee nach dem Rückzüge 
aus Deutschland jenseits am Rheine lag, sehnte sich eine Mutter in 
der Schweiz nach ihrem Kinde, das bei der Armee war, und von 
dem sie lange nichts erfahren hatte. Und ihr Herz hatte daheim 
keine Ruhe mehr. „Er muß bei der Rheinarmee sein," sagte sie, 
„und der liebe Gott, der ihn mir gegeben hat, wird mich zu ihm 
führen." Und als sie auf dem Postwagen zum St. Johannistore 
aus Basel heraus in den Sundgau gekommen war, treuherzig und 
redselig, wie alle Gemüter sind, die Teilnahme und Hoffnung be¬ 
dürfen, erzählte sie ihren Reisegefährten bald, was sie auf den Weg 
getrieben hatte. „Find' ich ihn in Kolmar nicht, so geh' ich nach
	        
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