Full text: Deutsches Lesebuch mit Bildern für einfache Schulverhältnisse

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Auf Napoleons Frage, wohin er sich begeben solle, bot ich ihm, da ich der 
Gegend unkundig, mein Quartier in Donchery) an, einem kleinen Orte in 
der Nähe dicht bei Sedan; er nahm es an und fuhr, von seinen sechs Fran— 
zosen, von mir und von Karl, der mir inzwischen nachgeritten war, geleitet, 
durch den einsamen Morgen nach unserer Seite zu. Vor dem Orte wurde 
es ihm leid, wegen der möglichen Menschenmenge, und er fragte mich, ob er 
in einem einsamen Arbeiterhause am Wege absteigen könne; ich ließ es besehen 
durch Karl; der meldete, es sei ärmlich und unrein. „Das macht nichts aus,“ 
meinte Napoleon, und ich stieg mit ihm eine gebrechliche enge Stiege hinauf. 
10 In einer Kammer von zehn Fuß Gevierte, mit einem fichtenen Tische und 
zwei Binsenstühlen, saßen wir eine Stunde, die andern waren unten. Ein 
gewaltiger Kontrast mit unserm letzten Beisammensein 1867 in den Tullerin. 
Unsere Unterhaltung war schwierig, wenn ich nicht Dinge berühren wollte, 
die den von Gottes gewaltiger Hand Niedergeworfenen schmerzlich berühren 
mußten. Ich hatte durch Karl Offiziere aus der Stadt holen und Moltke 
bitten lassen zu kommen. Wir schickten dann einen der ersteren auf Rekog— 
noscierung und entdeckten eine halbe Meile davon in Fresnois?) ein kleines 
Schloß mit Park. Dorthin geleitete ich ihn mit einer inzwischen herangeholten 
Eskorte vom Leib-Kürassierregimente, und dort schlossen wir mit dem fran— 
20 zösischen Obergeneral Wimpffen die Kapitulation, vermöge deren 40- bis 
60000 Franzosen (genauer weiß ich es noch nicht) mit allem, was sie haben, 
unsere Gefangenen wurden. Der vor⸗ und gestrige Tag kosten Frankreich 
100000 Mann und einen Kaiser. Heut früh ging letzterer nit allen seinen 
Hofleuten, Pferden und Wagen nach Wilhelmshöhe bei Kassel ab. 
25 Es ist ein weltgeschichtliches Ereignis, ein Sieg, für den wir Gott dem 
Herrn in Demut danken wollen, und der den Krieg entscheidet, wenn wir 
auch letzteren gegen das kaiserlose Frankreich noch fortführen müssen. 
Ich muß schließen. Mit herzlicher Freude ersah ich heut aus Deinen 
und Marias Briefen Herberts Eintreffen bei Euch. Bill sprach ich gestern, 
30 wie schon telegraphiert, und umarmte ihn angesichts Sr. Majestät vom Pferde 
herunter, während er stramm im Gliede stand. Er ist sehr gesund und ver— 
gnügt. Leb wohl, mein Herz. Grüße die Kinder. 
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Dein v. B. 
Maria, Herbert und Bill, d. i. Wilhelm, sind Bismarcks Kinder. Karl ist sein Reitknecht.) 
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365. O Straßburg. 
ollslied) 
O Straßburg, o Straßburg, du wunderschöne Stadt, 
darinnen liegt begraben so mannicher Soldat. 
So mancher und schöner, auch lapferer Soldat, 
der Vater und lieb' Mutter böslich verlassen hat. 
Verlassen, verlassen, es kann nicht anders sein! 
Zu Straßburg, ja zu Straßburg Soldaten müssen sein. 
Der Vater, die Mutter, die ging'n vors Hauptmanns Haus: 
„Ach Hauptmann, lieber Herr Hauptmann, gebt mir mein' Sohn heraus.“ 
Sprich: ) Dongscherie. 2) Frenoa.
	        
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