Full text: [Oberstufe, [Schülerband]] (Oberstufe, [Schülerband])

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bis die Spuren der Verheerungen, welche jener Winter durch seine Külte 
und später durch den Eisgang der Flüsse angerichtet hatte, nur einiger— 
maßen verschwunden waren; Weinberge und Olbaumpflanzungen mußten 
neu angelegt werden, und ein Menschenalter hindurch sah man verstüm⸗ 
melte Leute an Krücken gehen, welche ihre Glieder nicht im Kriege, sondern 
infolge des Erfrierens verloren hatten. Schubert. 
53. Die flechten. 
Die Flechten gehören zu einer Winterlandschaft. Wepn doer 
Maler die kahlen Bãume und Gesträuche treu abblden will, wie sie 
sich in der winterlichen Jahreszeit darstellen, s0 muls er auch die 
Flechten zeichnen, welehe auf ihren Stäammen und deten wachsen 
und von diesen herabhangen und gerade dann erst reent innb 
verden, venn diese Holzgewächse ihren 
Blätterschmuck abgeworfen haben. 
Die Flechten sind rechte Vinter- 
flanzen, denn sie leben wegen ihbrer 
Irockenheit auch beim stärksten Froste 
fort, oder sohlafen höchstens, ohne z2u 
sterben. Sie gleichen darin den Vieren 
mit kaltem Blute, welebe im Winter 
orstarren und schlafen. Sie ziehen die 
Feuchtigkeit der Luft begierig an sieb, 
und nach einem frischen Trunke, aus feuchter Herbst und Winten 
luft geschöpft, wachsen sie alsbald wieder fort. Daber eignen sie 
sich zu Bewohnern des hohen Nordens und hoher Gebirgè Sber 
nicht bloss die Feuchtigkeit bebagt ihnen, sondern sie ind aueh 
Ereunde von Luft und Liebt. Reine Flechte wächst an völlig dunkeln 
Orten, keine unter Wasser, keine liebt einen nassen Standort. 
Alte oder Kranke Baume, welehe mit Flechten bewachsen vsind, 
heisst man „bemoost?; von der Rinde der Obstbäume kratet man 
das „Moos“ ab; man spricht von isländischem Moose; alle diese 
Ausdrũcke sind nicht zutreffend, denn alle dieses Gewachse sind leine 
Moose, sondern Flechten. Die Moose, von denen jedoch auch manche 
Arten auf Baumrinden wachsen, zeichnen sich aus durch kleine, 
deutlich abgesonderte, grüne Blättehen, welehe an fadenfõörmigen 
Stengeln sitzen, sowie dureh büchsenförmige, meist gestielte Prucht 
behälter. Die Flechten dagegen zeigen keine abgesonderten Blätter 
und Stengel, venn auch bei manchen derselben äbnliche Gebilde vor⸗ 
kommen; vielmehr gehen Blatt und Stengel bei ibnen ineinander 
über. MNo aber aueh eine blattartige Bildung sich findet, da ist dieve 
von dem Blatte der höheren Gewächse doch sehr versehieden und 
ist niemals grün gefarbt. 
Die Familie der Hlechten gehört also nicht zu den Vornehmen 
unter den Pflanzen. Doch zeichnet sich ihr einfaches Gewand durch 
mancherlei bunte Farben aus. Viele Arten derselben hbaben ein 
SsStarkemehl und enthalten daher gesunde Nabrungsstoffe; dahbin
	        
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