Full text: [Teil 3 = Oberstufe, [Schülerband]] (Teil 3 = Oberstufe, [Schülerband])

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Wenn du einen bösen Weg gehst, meinst du, es kennt dich kein 
Mensch, und keiner sieht sich nach dir um, und es ist stockdunkel. 
Wenn du aber dem Rechtschaffenen nachgehst, redest du dir oft ein, 
jeder Pflasterstein hat Augen, jedes Kind kennt dich und deine Ge— 
danken, und tausend Sonnen scheinen. Aber das Gute, wie das 
Schlimme wird oft von der Welt übersehen. Ein Auge sieht alles, 
das ist Gottes Auge. 
Drum halte dich selber vor deinem Gott über dir und deinem 
Gewissen in dir in Ehren! Dann brauchst du nicht das eine Mal zu 
fürchten, daß dich alles sieht, und dir dabei etwas vorzulügen, und das 
andere Mal zu zürnen, daß dich niemand sieht. 
Berthold Auerbach. 
86. Ein unverleßt Gewissen. 
1. Ein unverletzt Gewissen 
Vor Gott und jedermann, 
Das ist das beste Kissen, 
Darauf man ruhen kann: 
Wem das zum Trost beschieden, 
Der schläft in Gottes Frieden 
Bei Nacht im finstern Tann. 
2. Wenn ihres Dolches Scheide 
Verleumdung für dich wetzt; 
Wenn dich mit bitterm Neide 
Dein Todfeind müde hetzt: 
Ein ruhiges Gewissen 
Bleibt von den Schlangenbissen 
Der Bosheit unverletzt. 
3. Und trugst getrost und gerne 
Des Tages Bürde du, 
Und eilst beim Abendsterne 
Dem trauten Dache zu: 
Wie streckst du froh die Glieder 
Auf solches Kissen nieder 
Zur wohlverdienten Ruh'! 
4. Und soll zum letzten Schlummer 
Dein Vett bereitet sein: 
Wie schläft man ohne Kummer 
Am Lebensabend ein! 
Ein unverletzt Gewissen, 
Das ist ein sanftes Kissen 
Auch in der Todespein! — 
37. Eine Ohrfeige zur rechten Zeit. 
In einer Handelsstadt Norddeutschlands lebte ein Kaufmann 
namens Müller. Ihm begegnete oft ein junger, wohlgekleideter Mensch, 
der ihn immer sehr freundlich grüßte. Herr Müller erwiderte den Gruß 
zwar gerne; aber da er sich nicht erinnerte, den jungen Menschen je 
zuvor gesehen zu haben, so glaubte er, daß dieser ihn mit einem andern 
verwechsele. 
Eines Tages nun war Herr Müller zu einem Freunde eingeladen, 
und als er zur bestimmten Zeit in dessen Hause eintraf, fand er den—
	        
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