Full text: [Teil 3 = Oberstufe, [Schülerband]] (Teil 3 = Oberstufe, [Schülerband])

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Gebäude und sahen dem sinkenden Feuer zu. Aber selten trat einer 
zu Jörn Uhl und seinem Kinde. Er hatte immer etwas Wunderliches 
gehabt, etwas Nachdenkliches und Wortkarges, mit einem Strich ins 
Hochmütige. 
„Nun, da er nicht aus noch ein gewußt hat, hat er nach dem 
letzten Rettungsmittel gegriffen und ist ein Brandstifter geworden.“ 
„Wahrhaftig, er steht da mit einem Gesicht wie ein Verbrecher. 
Seht, was für ein Gesicht!“ 
„Mensch, was sagte er zu dir? ... Ich muß sagen, ich hätte 
es ihm nicht zugetraut.“ 
„Mensch, was willst du mit dem reden? Es ist doch ar 
na, du kannst dir denken, was ich meine.“ 
Namentlich von den Arbeitern, welche geneigt sind, in dem Leben 
des Bauern das Böse deutlich zu sehen, das Gute aber nicht zu finden, 
redeten viele über ihn. Er war ja immer knapp und wortkarg gegen 
sie gewesen und fast geizig. Er hatte ja immer Sorgen und Geldnot 
gehabt. 
Also stand Jörn Uhl stundenlang unter den Pappeln, da, wo der 
Fahrweg nach den Scheunen umbiegt, da, wo er an dem Abend ge— 
standen hatte, als er von dem Feldzuge heimkehrte. 
Aber als Mitternacht vorbei war, kamen die beiden Knechte von 
Hargen Folkens und sagten, als sie heute abend um sieben Uhr vom 
Felde gekommen wären und der furchtbare Schlag gefallen wäre, hätten 
sie deutlich gesehen, daß die Uhl getroffen wäre. Sie hätten gesehen, 
wie ein brennender Pappelzweig oder Pappe von dem First, oder was 
es gewesen wäre, aufgeflogen wäre. Sie hätten auf der Stelle Halt 
gemacht und hätten gewartet, daß Feuer auffahren würde, und sich 
sehr gewundert, daß es nicht geschah. Auch der Kleinknecht auf der 
Uhl sagte, daß der Schlag ihn fast umgeworfen hätte, als er zwischen 
Haus und Scheune unterwegs gewesen wäre, und daß er um den Giebel 
einen leichten Rauch bemerkt hätte und auf der Hofstelle brenzlichen 
Geruch. Diese Reden verbreiteten sich rasch. Da traten viele Männer 
und Frauen an Jörn Uhl heran, erzählten ihm, was sie gehört hatten, 
wußten auch von ähnlichen Blitzschlägen zu sagen und sprachen ihm mit 
herzlichen Worten Mut zu. 
Als die Kälte des Morgens kam, verliefen sie sich. 
Als der Himmel grau wurde, ging Jörn Uhl über den Weg zu 
Laspar Krey. Einige Sterne standen noch hoch am Himmel wie über— 
müde, glänzende Augen in einem blassen, überwachten Gesicht. Als 
er in die Stubentür trat, stellte Wieten sich ihm in den Weg. Aber 
Deutsches Lesebuch, Oberstufe. J. Auflage.
	        
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