74
783. Des Vatlers Vermächtnis.
An meinen Sohn Johannes. 1799.
Gold und Silber habe ich nicht; aber was ich habe,
gebe ich dir.
Lieber Johannes!
Die Zeit kommt allgemach heran, daß ich den Weg gehen muß,
den man nicht wiederkommt. Ich kann dich nicht mitnehmen und lasse
dich in einer Welt zurück, wo guter Rat nicht überflüssig ist.
Niemand ist weise von Mutterleibe an. Zeit und Erfahrung
lehren hier und fegen die Tenne.
Ich habe die Welt länger gesehen als du.
Es ist nicht alles Gold, lieber Sohn, was glänzet, und ich habe
manchen Stern vom Himmel fallen und manchen Stab, auf den man
sich verließ, brechen sehen.
Darum will ich dir einigen Rat geben und dir sagen, was ich
gefunden habe und was die Zeit mich gelehrt hat. —
Es ist nichts groß, was nicht gut ist; und ist nichts wahr, was
nicht bestehet.
Der Mensch ist hier nicht zu Hause, und er geht hier nicht von
ungefähr in dem schlechten Rock umher. Denn siehe nur: alle anderen
Dinge hier mit und neben ihm sind und gehen dahin, ohne es zu
wissen; der Mensch ist sich bewußt und wie eine hohe bleibende Wand,
an der die Schatten vorübergehen. Alle Dinge mit und neben ihm
gehen dahin, einer fremden Willkür und Macht unterworfen; er ist
sich selbst anvertraut und trägt sein Leben in seiner Hand
Und es ist nicht für ihn gleichgültig, ob er rechts oder links gehe.
Laß dir nicht weismachen, daß er sich raten könne und selbst
seinen Weg wisse.
Diese Welt ist für ihn zu wenig, und die unsichtbare siehet er
nicht und kennet sie nicht.
Spare dir denn vergebliche Mühe und tue dir kein Leid und be—
sinne dich.
Halte dich zu gut, Böses zu tun.
Hänge dein Herz an kein vergänglich Ding.
Die Wahrheit richtet sich nicht nach uns, lieber Sohn, sondern
wir müssen uns nach ihr richten.
Was du sehen kannst, das siehe, und brauche deine Augen, und
über das Unsichtbare und Ewige halte dich an Gottes Wort. Bleibe
der Religion deiner Väter getreu.