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den Leuten von Megara feind und ließen daher bekannt machen,
daß der erste Megarer, der sich wieder in Alhen ertappen ließe,
des Todes sein sollte. Das war nun eine recht traurige Nachricht
für den jungen Euklides. Gar zu gern hütte er den Sokrates
ferner gehört; aber seinen Kopf daran zu wagen, das war ihm
doch auch bedenklich. Endlich aber siegte doch die Liebe zur Weis—
heit über die Liebe zum Leben. Er beschloß, sich an das Verbot
nicht zu kehren, sondern sich alle Abende heimlich in die Stadt
Athen einzuschleichen.
Hört, wie er das anfing! Alle Abende gegen Untergang der
Sonne zog er Weiberkleider an und marschierte in diesem Aufzuge
von Megara nach Athen, welches ein Weg von wenigstens zwei
Meilen war. Sobald er in Athen angekommen war, vberfügte er
sich nach dem Hause des Sokrates und brachte einige Stunden
der Nacht mit ihm hin. Noch ehe der Tag aͤnbrach, marschierte
er wieder ab. — So wagte dieser edle Jüngling alle Tage sein
Leben und ließ sich einen täglichen Gang von vier Meilen nicht
verdrießen, um von Sokrates zu lernen, weise und gut zu werden.
Wer von euch, ihr jungen Leser, hätte den Muth, ihm dies
nachzuthun?
68. Zwei Gesprächo.
Gobert Reiniek)
Ich stand einmal des Morgens im Dorfe an dem RKreuz—
wege, wo der eine Weg gleieh in die Schule führt, der andere
aber links nach der Kirmeswiese. Es war schönes Wetter.
Da hörte ich zwei Knaben Polgendes sprechen;
„Guten Tag, Karl!“
Guten Tag, Mchel!
„Mo gehbst du hin, Karl?« —
In die Schule, Michel. —
„Vi was! In doer Schule ist's garstig, da muss man
lernen; draussen auf der Wiese solls du sinmal sehen, da
, jetzt hübsch! Komm, vwir vwollen dahin spielen gehen,
arl
Am Abend, Michol; jetzt geh' ieh lernen, ado! —
„Meinetwegen, geh' du arbeiten, Karl, ieh geh' spie-
lon, ade!“
Zwanzig Jahre darnaeh stand ieh in demselben Dorfe an
derselben Stello. Es var ein böser, äalter Wintertag. Dn
blasser, armlieh e Mensch klopfte an die Dhür des
Schulhauses an. Der Lehrer, ein starker, junger Mann, öffnete
diese, und ich hörte nun die beiden Polgendes sprechen: