Soldaten nannten ihn den weißen Herrn, weil er der Sonnenhttze
wegen ganz weiße Kleider trug. Er war auf einer Reise durch den
Krieg aufgehalten und hatte so der Schlacht beigewohnt. Da er dieses
Elend sah, ließ ihm sein Herz nicht zu, daß er weiter reiste. So ging
er über das Schlachtfeld von einem Verwundeten zum andern mit einemn
Eimer Wasser und etwas Charpie. Er tränkte die Dürstenden und
kühlte und wusch ihre Wunden. Bald fand er einige andere Reisende und
nötigte sie, ihm zu helfen. Dann warb er Gehilfen und Wärterinnen und
errichtete in einer Kirche ein Krankenhaus für 500 Mann, deren Wunden
wenigstens gewaschen, die in Decken gehüllt und mit Suppe gelabt wurden. 10
Die Frauen und Jungfrauen des Orts fügten sich seinen Anordnungen,
gingen ihm wacker zur Hand und scheuten weder Beschwerden, noch Ekel,
noch Opfer.
3. Mehrere Wochen blieb Dunant bei dieser segenreichen Arbeit;
dann kehrte er nach Genf zurück. Hier schrieb er ein Büchlein, das er 15
Ein Andenken an Solferino“ nannte. Darin erzählte er, was er erlebt
und gethan; hauptsächlich aber wollte er andere anregen, dasselbe zu thun.
„Wäre es nicht möglich,“ so fragte er, „schon in Friedenszeiten
freiwillige Hilfsvereine zu gründen?“
Dieser Aufruf hatte großen Erfolg. 1863 kamen in Genf Abge- 20
sandte aller großen Staaten von Europa zusammen und beschlossen,
in jedem Staate solche Hilfsvereine zu errichten. Im deutsch-dänischen
Kriege wirkten diese zuerst; über 150 freiwillige Krankenpfleger arbeiteten
dort auf den Schlachtfeldern und in den Lazaretten. Im Jahre 1864
lud die schweizerische Regierung abermals die Bevollmächtigten der andern 25
Staaten nach Genf ein. Zwölf Staaten schlossen hier den Genfer
Vertrag, der später von fast allen Staaten angenommen wurde.
4. Dieser Genfer Vertrag bestimmt folgendes: Alle Feldlazarette und
Militär-Krankenhäuser, die Kranke und Verwundete enthalten, sind neu—
tral, d. h. es darf von beiden kriegführenden Völkern nicht auf sie 30
geschossen werden. Alle Ärzte und Wärter, die zu ihnen gehören, alle,
die Verwundete fortschaffen, und alle Feldgeistlichen sind unantastbar und
dürfen nicht gefangen genommen werden. Vorrüäte, Lebensmittel und
Heilmittel, die für die Lazarette herbeigeführt werden, darf der Feind
nicht wegnehmen, wie es sonst im Kriege geschieht. Auch alle Landes- 35
bewohner, die den Verwundeten zu Hilfe eilen, sollen geschont werden.
Jeder Verwundete, der in einem Hause aufgenommen und verpflegt wird,
dient diesem Hause als Schutz, so daß es von Einquartierung und von
einem Teile der Kriegssteuern frei bleibt. Verwundete oder kranke Krieger
sollen aufgenommen und gepflegt werden ohne Unterschied, zu welchem
Volke sie gehören. Sind sie hergestellt, so werden sie in ihre Heimat
entlassen, wenn sie nicht mehr zum Dienste tauglich sind. Wenn sie noch
diensttauglich sind, so müssen sie bei der Entlassung versprechen, während