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sch hatte aber nur sechs Thaler, die ich abgab. Der Hausverwalter
nahm es in die Hand, zählte es und sagte: „Wenn es sechsmal so
viel wäre, so reichté es; wer nun möchte multiplizieren können:
6mal 6 ist 26 Ich tröstete ihn mit der vielfältigen Erfahrung der
ilfe Gottes, ger es aueh noch selbigen Tages just zu 36 multiplizierte
zu seiner und meiner nicht geringen Stärkung des Glaubens. Gott
that aber noch ein mehreres und bescherte auch über dieses an dem
Tage fünfundæwanzig Dukaten, damit deèm folgenden Tag, der gleich-
falls ein Zahlungstag war, ein Genüge geschehen könnte.“
Immerhin ging es nicht selten auch durch grosses Gedränge.
„Es ist oft und vielmal geschehen,“ erzählt er, „dals ich keinen Heller
mehr » gohabt, obwohl auf den nächsten Tag das NMarktgeld für
2 sonen sein mulste.“ Manchmal mussten die Pfennig
zu nommen werden, die man für Arme zurückgelegt hatte.
15 Einm- datte gor ausverwalter mit Schmerzen zu suchen, wie er
nur em paar Groschen auftriebe, um auf den Abend etliche Lichter
zu kaufen, damit die Kinder nicht im Finstern sitzen dürften, und
kam nicht eher dazu, als bis es dunkel geworden war. Und dennoch
konnte Francke auf die Frage: „Habt ihr auch je Mangel gehabt?“
20 in Wahrheit antworten wie die Jünger: „Herr, nie keinen.“
?Zir Zoit seines Todes (1727) waren im Waisenhause 134
Waisentnder unler 10 Aufsehern, 2207 Kinder und Jünglinge, die
in en verschiedenen Schulen von 175 Lebrern unentgeltlich unter-
richtet wurden. 150 Schũler und 255 arme Studenten wurden aus der
25 Kass dos Maisenhauses täglich gespeist. Aus dem Verkauf einer
Precgt Franckes „Von der Pflicht gegen die Armen“ erwuchs nach
und nach eine bedeutende Buchhandlung samt Buchdruckerei; eine
Anweisupg zur Bereitung eines sehr wirksamen Heilmittels, die ein
Sterbender Francke übergab, legte den Grund zu einer grossen Apotheke,
30 die auch dem Waisenhause wieder viel einbrachte.
Der Segen, der von dem Hallischen Waisenhause ausging, er-
streckte sich nicht bloss auf diejenigen Kinder und Jünglinge, die in
seiner unmittelbaren Pflege standen; es übte überhaupt einen bedeu—
tenden Einfluls auf Verbesserung des Schul- und Erziehungswesens
35 bei Armen und Reichen in der Nähe und Ferne aus. Auch wurde
bei ihm die erste Bibel- und die erste Missionsanstalt in der evan-
gelischen Kirche Deutschlands ins Leben gerufen. Aus der Bibel-
anstalt des Hallischen Waisenhauses, die sich die Verbreitung wohl-
feiler Bibeln unter den Armen zum Ziel setzte, sind bis jetzt allein
Nvier Mllionen hervorgegangen. Aus dem Hallischen Waisenhause
wurde der Erstling unfer den evangelischen Missionaren, Bartholomäus
Aegenbalg, im Jahre 1706 zu den Heiden gesandt.
Württembergisehes Lesebneh.