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Ufer nicht mehr der deutschen Zunge. Sobald das Dampfboot dem
alten Königssitze Preßburg sich nähert und die Ruinen des Devoner
Schlosses sichtbar werden, das im Mittelalter die Landgrenze bezeichnete,
wird die österreichische Flagge niedergelassen und die ungarische, grün—
5 weiß⸗rot, gehißt, damit das Schiff in Preßburg mit dem Schmucke der
Nationalfarben anlangen möge.
2. Preßburg war die Residenz der alten ungarischen Könige; aber
das Schloß brannte 1811 ab, und nun erinnern seine Trümmer an die
alte vergangene Zeit. Hart an der Donau erhebt sich ein kleiner Hügel,
10 der jedem Ungar heilig ist; jeder neugekrönte König, wenn er die Dom—
kirche verläßt, muß ihn hinanreiten, mit dem Schwerte in die Luft nach
allen vier Weltgegenden hauen und so vom Reiche Besitz nehmen. Es
ist das ein Zeichen, daß er das Land vor allen Feinden mit dem Kriegs—
degen verteidigen und schützen wolle.
15 3. Hinter Pest beginnen die Pußten. Sie sind keineswegs schauer—
liche Einöden oder entvölkerte Sandsteppen, wie man gewöhnlich meint;
es sind vielmehr endlose Viehtriften mit zahlreichen Wohn und Wirt—
schaftsgebäuden, die freilich bei der ungeheuern Ausdehnung des Flächen—
raumes fast verschwinden, während der leere, unbewohnte Teil bei weitem
der überwiegende ist. Von Stelle zu Stelle bietet auch ein Feldbrunnen,
der freilich so kunstlos als möglich angefertigt ist, einen kühlen Trunk.
Die Bewohner dieser weiten Ebenen sind zumeist Hirten, unter sich
in viele Kasten geteilt, je nach der Gattung des Viehes, das sie zu hüten
haben. Die unterste Stufe nimmt der Schweinehirt ein, während der
2s Pferdehirt auf der obersten Sprosse dieser Leiter steht. Es sind merk—
würdige Leute mit scharf ausgeprägten Zügen, sonnverbranntem Antlitz,
schwarzen, funkelnden Augen und fetttriefendem Haare. Ihre Kleidung
besteht aus weiten, grobleinenen Beinkleidern und einem kurzen Hemd
von gleichem Stoffe mit weiten Ärmeln. Ihre Kopfbedeckung ist ein
30 runder, breitkrämpiger Hut, und den Schlußstein dieser Kleidung bildet
die Bunda, ein zottiger Schafpelz, den sie, je nach der Jahreszeit, bald
mit der glatten, bald mit der rauhen Seite nach außen kehren, weshalb
auch die Bunda, wie das ungarische Sprichwort sagt, „im Winter
wärmt, im Sommer kühlt“. Der Pferdehirt trägt gewöhnlich noch ein
35 Stück schwarzen Flor um den Hals und einen ledernen Gürtel. Die
Mühe, die die guten Leute mit der Bewachung ihrer Herden haben, ist
eben nicht groß; sie überlassen diese Sorge gewöhnlich ihren weißen,
großen Wolfshunden, die auf einem Hügel oder Düngerhaufen ihren Sitz
aufschlagen, um das Feld überblicken zu können. Wenn ein Fremder naht,
so verkünden sie seine Ankunft durch lautes Gebell, als wollten sie ihrem
Herrn zu erkennen geben, daß ein Vorfall eintrete, der nicht in das
Bereich ihrer Thätigkeit gehöre. Wenn sich aber die Jungen von der