Full text: Drittes Lesebuch für die oberen Mittelklassen der deutschen Volksschulen

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herankommen sah, stand er still, schien einen Augenblick zu überlegen, 
was zu tun sei, und trat dann einen ehrenvollen Rückzug an. 
Otto. 
161. Der Stör. 
Zu den Fischen, welche weite Reisen unternehmen, gehört auch 
der Stör. Er liebt es jedoch nicht, ivie der Hering, in großer Ge¬ 
sellschaft zu reisen, sondern zieht lieber seine Straße allein. Und 
während jener das Meer nie verläßt, zieht der Stör durch die Tore 
der Wasserstraßen, welche tief in das Innere der Länder führen, sieht 
Kirchen und Bäume sich in den Wassern spiegeln, hört das Blöken 
der Herden und das Geklapper der Wassermühlen. Er kommt oft 
hundert, ja zweihundert Stunden in die Flüsse hinauf, springt über 
niedere Wasserfälle hinweg, indem er den langen Körper wie einen 
Sprenkel biegt und wieder auseinanderschnellt, schwimmt mit großer 
Geschicklichkeit die lang sich hinziehenden Wasscrstürze hinauf, indem 
er sie schräg durchschneidet. Er ist allen Fischern ein willkommener 
Gast, weniger seines Fleisches wegen, welches allerdings auch ge¬ 
nossen wird und dem Kalbfleische ähnlich schmeckt, als vielmehr seines 
Rogens wegen, aus dem man den Kaviar macht, der als Leckerbissen 
weit und breit verschickt und teuer bezahlt wird. Er ist ein gesuchter 
Handelsartikel, geht durch ganz Europa, wird wie Butter auf Semmel 
gestrichen und meistens zum Wein genossen. Man sollte glauben, 
daß bei den vielen Nachstellungen das Geschlecht dieser Fische schon 
längst zugrunde gegangen wäre. Aber ein einziger Stör, der nicht 
ergriffen wurde, hinterläßt eine Nachkommenschaft von vielen Tausenden, 
die das salzige Wasser des Meeres mit demselben Behagen verschlucken 
wie das süße Flußwasser, in welchem sie geboren wurden. 
Stellte ihnen der Mensch nicht nach, vor den Flußfischen brauchten 
sie sich nicht zu fürchten; denn sie erreichen eine Größe von 3—-3l/s m. 
Im Meere aber hat eine solche Größe nicht viel zu bedeuten; daher 
denn auch der Stör zu seiner Verteidigung noch ganze Reihen 
gekrümmter Stacheln trägt, die nach allen Seiten hin seine Angreifer 
bedrohen. Diese Stacheln bestehen aus festen Knochen und sitzen auf 
eben so festen Schilden, die fast wie die eisernen Köpfe großer Nägel 
aussehen, mit welchen man die Tore der Festungen zum Schutz gegen 
den Feind sichert. Eine Reihe dieser Knochenschilde läuft den Rücken 
entlang, eine längs dem Bauchrande, eine an jeder Seite des Leibes. 
Und doch gehört der Stör zu den Knorpelfischen. Mit diesen Schilden
	        
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