266
23. Stockholm.
daß beständig Licht gebrannt werden muß. Indeß ist sie doch nicht so schwarz,
daß nicht bei hellem Wetter zur Zeit der Mittagsstunde eine Art Dämmerung
einträte, bei der man am Fenster eine halbe Stunde oder eine ganze lesen
könnte. Die Sterne stehen dabei glänzend hell am Himmel; Nordlichte sind
auch hier nicht so selten als mehr südlich. Ist aber trübes Wetter, so herrscht
die finsterste, ununterbrochene Nacht. Mitte Januar wird die Dämmerung
lichter und ist der Tag erst einmal angebrochen, so wächst er auch rasch.
Nun gleicht die Natur den Unterschied aus, und im Juni und Juli beschreibt
die Sonne Kreise um den Himmel, ohne sich jemals vom Horizonte zu ent—
fernen. Der ganze Unterschied zwischen Mittag und Mitternacht ist dann, daß
die Strahlen etwas bleicher und matter werden, ohne daß sie aufhören, die
belebende Wärme zu verlieren. Es ist sehr eigenthümlich, daß, so lange diese
tageshelle und sonnenvolle Nacht dauert, der Wind ganz schweigt und eine
durch nichts gestörte Ruhe in der Natur herrscht, als wolle diese dadurch die
Zeit des Schlafes ankündigen. Mit dem Morgen erhebt sich der Wind wieder,
und die Wetter werden losgelassen von den Nebelgeistern und Abends ein—
gefangen; die Sonne der Nacht scheint aber oft so heiß, daß sie lästig werden
kann. Ein Bekannter erzählte mir, daß, als er sich in Hammerfest auf
einem Balle befand und gerade um Mitternacht an den Vord des Schiffes
zurückfuhr, die Sonne so mächtig war, daß er den Rock auszog. Das
Thermometer zeigte 18 Grad. Dieser anhaltende Tag und Sonnenschein
macht es wohl auch allein möglich, daß noch Ernten gedeihen.
Wie seltsam ist aber der Mensch! Reiche Handelsherren bringen ihr
ganzes Leben unter diesem fürchterlichen Klima zu, von denen manche, wenn
sie wollten, im schönen Süden leben könnten. Wer hierher kommt, sagte mir
einer, thut es natürlich des Gewinnes wegen. Ist man aber ansäßig, so
kommt man nicht wieder fort; denn wer kauft uns ab, was wir besitzen?
Menschen, welche Vermögen besitzen, wandern nicht nach Hammerfest; es sind
nur solche, die es sich erwerben wollen. Aber wer hier geboren ist, der liebt
diese Einöden ebenso innig wie der Lappe seine Rennthieralpen oder der
Grönländer seine Eisbuchten. Mügge.
23. Stockholm.
Die Haupt⸗ und Residenzstadt des Königreichs und Sitz der höchsten
Centralbehörden, Stockholm, hat eine so herrliche Lage, daß sie zu den
sieben schönsten Städten Europas gerechnet und vielleicht nur von Kon—
stantinopel wirklich übertroffen wird. An dem südlichen und nördlichen
Gestade des langgestreckten reizenden, tiefblauen Mälarsees thront sie
wie eine Königin auf runden Bergkuppen, dort, wo dieser Binnensee sich
mit einer Bucht des baltischen Meeres vereint, und sieht einen Theil
ihrer Häuser von der Salzfluth benetzt, während die süßen Wasser den
anderen umwogen. Auf zwei Halbinseln und mehreren größeren und
kleineren Eilanden breitet sich die Stadt aus und bedeckt einen Raum von
dem Umfange von zwei Meilen. Dieser Raum ist jedoch nicht überall