24. Sehnen. 25. Die russischen Ostseeprovinzen.
267
bebaut, sondern wechselt theils mit nackten oder mit Vegetation bedeckten,
meist schroff und grotesk ausgezackten Felsen, theils mit Kanälen und mit
breiteren und schmäleren Wasserstreifen ab, und gewährt eben dadurch einen
entzückenden, malerischen Anblick, wie ihn keine zweite Residenz des
europäischen Nordens darbietet. Die Gebirgsart, woraus die Grundlage
der Stadt besteht, ist Gneiß und Granit.
Von einer Felsenhöhe, welche „Mosebake“ (Moseshügel) heißt, bietet
die scheinbar auf dem Meere schwimmende Stadt mit ihren Inseln, Brücken
und ihrem Wald von Masten, da die Schiffe aus beiden Seen aus- und
einlaufen und auf den durch Meeresarme gebildeten Kanälen im Osten
und Westen unmittelbar vor den Häusern anlegen, ein unübertroffenes
Panorama dar, das sich durch den Rahmen von dunklen Wäldern und
Bergen, die bis an die Thore der Stadt herantreten, noch mehr hervor—
hebt. Der herrliche Hafen mitten im Innern der Stadt und die Frucht—
barkeit der als Hinterland an die Hauptstadt greuzenden Provinzen, die
Wasserverbindung mit den nahegelegenen reichen Wäldern und erzhaltenden
Gebirgen machen die Residenz auch zu der wichtigsten Handels- und
Stapelstadt des Landes. Etzel.
24. *Sehnen.
. Ein Sichtenbaum steht einsam
im Norden auf kahler Höh';
ihn schläsfert; mil weißer Decke
umhüllen ihn Eis und Schnee.
—F
2. Er träumt von einer Palme,
die sern im Morgenland
einsam und schweigend lrauerk
auf brennender Felsenwand.
Zeine.
25. Die russischen Ostseeprovinzen.
Wenn man von Memel auf der großen Petersburger Straße
die weiten Gefilde der drei Ostseeprovinzen durchfliegt, so glaubt man
wohl, durch eine Einöde zu fahren, in der nur Wald und Sand,
Gestrüpp und Sumpf abwechseln. Lange Tannenwälder ziehen sich ohne
Ende zur Seite des Weges hin. Hier und da sieht man ein ödes
Haus wie verlassen daliegen, dessen schafspelzige Einwohner wir in
ihrer Sprache nicht verstehen, und die wie Nachteulen uns über den
Weg huschen. Platt und eben liegt das Bild der Landschaft am Boden.
Nichtsdestoweniger aber hat auch dieses Land seine besonderen Reize
und seine eigene Schönheit.
Die Länder, welche die Letten und Esthen bewohnen, liegen
in einer so hohen nördlichen Breite, daß diese kein günstiges Zeichen
für die Milde ihres Klimas sein kann. Der Winter ist 6 Monate
lang voll von Stürmen, Eis, Schnee und kalten Frosttagen. Der
Sommer ist kurz und heiß, der Herbst trübe, regenreich und schmutzig.
Einen jugendlichen Frühling giebt es kaum. Ganz besonders ist diesen
Ländern die Feuchtigkeit der Luft und des Bodens eigenthümlich. Es