Full text: Lesebuch für die Oberklassen katholischer Volksschulen

— 3 
ganzer Seele, und siebt nieht um sieh, was geschieht, wenn es 
ihn niehts angeht. Also gab auehn der unsrige dem Köbis 
auf seine Fragen naeh dem Landbau, nach seinen Rinders 
und ob er aueh alle Sonntage ein Huhn im Lopfe babe, ge 
sprächige Antwort und merkte lange niehts. Undlieh aber, 
als exr doeh sah, wie sieh alle PVenster öffneten und alle 
Strassen sieh mit Leuten füllfen, und alles reehts und lnks 
ausvieh und ebrerbietig das Haupt entblösst hatte, ging ihmn 
ein Licht auf. „Herr,“ sagte er und schaute seinen unbekann— 
ten Begleiter mit Bedenkliehkeit und Zweifel an, „entwedoer 
seid Ihr der König, oder ich bin's. Denn wir zwei baben voch 
allein die Hüte auf dem Kopfe.“ Da lächelte der König und 
sagte: „Ieh bin's. Wenn Ihr ELuer Röblein eingestallt und 
Puer Geschaft besorgt habt, so Lommt zu mir in mein Seblob 
Ioh vill Euch alsdann mit einem Mittagssüpplein aufvarten 
und Luch aueh meinen Ludwig zeigen.“ 
Von dieser Geschichte her rübrt das Sprichwort, venn 
jemand in einer Gesellschaft aus Vergessenheit oder Unver 
stand den Hut allein auf dem Kopfe behält, dals man bn 
fragt: „deid Ihr der König oder der Bauer?“ 
110. Die Pfirsiche. 
(Friedrich Adolf Krummacher.) 
Ein Landmann brachte aus der Stadt fünf Pfirsiche mit, die 
schönsten, die man sehen konnte. Seine Kinder aber sahen diese 
Frucht zum ersten Male. Deshalb wunderten und freuten sie sich 
sehr über die schönen Apfel mit den rötlichen Backen und dem 
zartesten Flaum. Darauf verteilte sie der Vater unter seine vier 
Knaben, und einen erhielt die Mutter. Am Abend, als die vier 
Kinder in das Schlafkämmerlein gingen, fragte der Vater: „Nun, 
wie haben euch die schönen Äpfel geschmeckt?“ Herrlich, lieber 
Vater,“ sagte der älteste. „Es ist eine schöne Frucht, so säuerlich 
und so sanft von Geschmack. Ich habe mir den Stein sorgsam 
bewahrt und will daraus einen Baum erziehen.“ „Brav,“ sagte 
der Vater, „das heißt haushälterisch auch für die Zukunft gesorgt, 
wie es dem Landmann geziemt.“ „Ich habe den meinigen sogleich 
aufgegessen,“ rief der jüngste, „und den Stein fortgeworfen, und 
die Mutter hat mir die Haͤlfte von dem ihrigen gegeben. O, das 
schmeckt so süß und zerschmilzt einem im Munde!“ „Nun,“ sagte 
der Vater, „du hast zwar nicht sehr klug, aber doch natürlich und 
nach kindlicher Weise gehandelt. Für deine Klugheit ist auch noch 
Raum genug im Leben.“ 
5*
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.